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Schroders Schweigen

Schroders Schweigen

Titel: Schroders Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amity Gaige
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mich, um den baumelnden Hörer wieder einzufangen, ohne dabei den Barmann aus den Augen zu lassen.
    »Aber jetzt ist alles wieder gut«, sagte ich. »Die muss immer erst ’ne Riesenwelle machen, die Frau.«
    Ich musste mich zwingen, nicht zum Fernseher hochzuschauen, als ich wieder auf den Tresen zusteuerte. Meadow beobachtete mich genau.
    »Wie geht das denn nun mit diesem verrückten Ding?«, fragte ich und nahm den Frosch in die Hand.
    »Muss man aufziehen«, sagte Meadow und tunkte ihren zweiten Hotdog ins Ketchup.
    »So?« Ich stellte den Aufziehfrosch auf die Füße. Ich warf einen raschen Blick auf den Fernseher. Meadows Gesicht und meines waren jetzt nebeneinander auf dem Bildschirm zu sehen, die Nummer einer Telefonhotline lief über uns hinweg, und ich bemerkte in einem Anflug von Zerknirschtheit, dass es kein neueres Foto von uns beiden zusammen gab, dass man zwei einzelne hatte nehmen müssen, und zwar deshalb, weil in der knapp bemessenen Vater-und-Tochter-Zeit niemand da gewesen war, der ein solches Bild hätte aufnehmen können, niemand, der ein Bild gemacht hatte, es gab einzig unser Dasein in der Verbannung, das auf grausame Weise suboptimal war im Vergleich zu unserem früheren gemeinsamen Leben.
    Werbepause. Waschmittel. Ein sprechender Teddybär.
    »Na gut«, sagte ich und ließ den Frosch los, der sofort auf die Seite kippte und mit den Beinen in der Luft strampelte. »Genug dummes Zeug geredet. Wir kratzen die Kurve.«
    Der Barmann hob die Augenbrauen. »Schon?«
    »Ich hab meinen Hotdog noch nicht auf«, sagte Meadow.
    »Kein Problem. Wir nehmen ihn einfach mit ins Auto.«
    Ich warf ein paar Scheine auf den Tresen und packte Meadow fest am Arm. Mit dem Ende ihres Hotdogs in der Hand sah sie erschrocken zu mir hoch.
    »Dann gute Reise«, sagte der Barmann. »Kommt mal wieder vorbei.«
    »Machen wir. Ganz bestimmt.«
    Während wir uns im Rückwärtsgang hinausschoben, fiel mein Blick unwillkürlich auf die Seitenansicht des Mannes am Ende der Bar. Er stierte in die glitzernden Schnapsflaschen – einen Horizont aus Alkohol –, und sein graumelierter Hals schluckte das Schmelzwasser des Eiswürfels, auf dem er herumkaute. Und mit dem Klingeln des Glöckchens über der Tür wandte er mit furchterregender Langsamkeit den Kopf, als wäre er in dem Moment erwacht, und ich versuchte aus seinen tiefliegenden Augen mein Schicksal herauszulesen.

JOHN TORONTO
    »Zuckerschnecke?«, fragte ich in die Dunkelheit. »Bist du noch wach?«
    Meadow bewegte sich unter ihrem Bettzeug. »Ja, bin ich.« Ich stützte mich auf und sah hinüber zu ihrem Bett. »Macht dir unsere Tour Spaß?«
    »Oh ja. Es war lustig, als wir Wassermann gespielt haben, und ich mag unser neues Auto, und ich mag es, so viel ungesunde Sachen zu essen. Und ich bin froh, dass Mama gesagt hat, dass wir Ferien machen dürfen. Ich hatte schon Angst, dass sie nein sagt. Sie überlegt sich’s wohl gerade anders wegen dir. Ich hab’s ihr schon tausendmal gesagt. Ist wohl doch nicht ganz hoffnungslos.«
    Ich zuckte im Dunkeln zusammen. »Nein. Es ist nie hoffnungslos.«
    »Aber es ist doch lustig.«
    »Ja, es ist lustig«, sagte ich. »Das Leben wird immer lustiger, je länger man lebt.«
    Ich starrte an die Decke unserer Hütte. Es stand kein Mond am Himmel. Als könnte sie meine schuldbewussten Zweifel hören, knipste Meadow ihre Taschenlampe an. Der Strahl wanderte über die Decke und beleuchtete die Spinnweben.
    »He, Meadow«, sagte ich. »Wie wär’s, wenn wir was spielen, während wir Ferien machen, also, wenn du nichts dagegen hast? Du kannst irgendein anderes Mädchen sein, und ich werde immer noch dein Vater sein, aber ich werde einen anderen Namen haben, verstehst du, John oder so was. Du kannst dir deinen Namen aussuchen. Irgendeinen Namen, den du schon immer toll fandest. Und ich werde dich so nennen , und wir denken uns Geschichten über unser Leben aus. Zum Beispiel kannst du die kleine Schwester haben, die du dir immer gewünscht hast –«
    »Ach, die will ich eigentlich gar nicht mehr.«
    »Gut.«
    »Ich hätte lieber einen Einsiedlerkrebs. Aber einen echten, keinen gespielten.«
    »Aber, was hättest du denn gern für ein gespieltes Haustier?«
    Meadow dachte nach. »Einen portugiesischen Wasserhund? So wie der von Sasha Obama?«
    »Gut, gut. Das ist großartig. Du hast zu Hause einen portugiesischen Wasserhund. Und wir sind aus Toronto. Und mein Name ist John, und dein Name ist –«
    »Ich finde, du solltest Bürgermeister

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