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Schroders Schweigen

Schroders Schweigen

Titel: Schroders Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amity Gaige
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Tochter.«
    »Keine Ehefrau?«
    »Klar habe ich ’ne Ehefrau«, sagte ich. »Zum letzten Hochzeitstag hat sie mir ’ne einstweilige Verfügung geschenkt.«
    Der Barmann schnaubte.
    Grinsend winkte ich ab. »Aber vor der Kleinen red ich nicht so gerne drüber.«
    Der Barmann schüttelte den Kopf, und sein Lachen erstarb. Reumütig sah er Meadow an, die endlich den Frosch genommen hatte und mit dem Schlüssel aufzog.
    »Kinder«, sagte der Mann. »Erst machen sie einem das Leben kaputt. Dann sind sie das Beste, was übrigbleibt.«
    » Das « – ich prostete ihm mit meinem leeren Glas zu – »ist ein wahres Wort.«
    Wir verfielen in melancholisches Schweigen.
    Ich sah den Tresen hinunter zu dem alten Mann. Er umklammerte mit beiden Händen seine Dose Pabst-Bier und betrachtete den Fernseher, der ohne Ton lief. Ich sah hinauf zum Bildschirm. Gerade fingen die Lokalnachrichten an. Ein Anflug von Heimweh überkam mich. Einen Augenblick lang vermisste ich Albany, seine grausamen Winter, seine Provinzpolitiker. Die Titelstory aus St. Albans schien sich um einen Bärenangriff zu drehen.
    »Witzig«, sagte ich.
    Der Barmann hob den Kopf. »Was denn?«
    »Pabst-Bier.«
    »Vielleicht wird’s vom Papst gesegnet. Heiliges Bier.«
    »So eine Art koscheres Bier, nur für Katholiken.«
    »Ha!«
    »Ha-ha!«
    »Ha! Wer weiß.« Der Barmann lachte in sich hinein und zeigte auf mein Glas. »Noch einen?«
    »Keine Frage.«
    »Dazu noch ’n heiliges Bier zum Runterspülen?«
    »Mal überlegen. Was würde Jesus tun?«
    Der Barmann lachte laut auf. Ich bemerkte ein Zupfen an meinem Ärmel.
    Meadow sah zu mir hoch. »Können wir Mama anrufen?«
    Ich schluckte. In meiner Blödheit hatte ich gedacht, sie hätte es vergessen. Nein, ich hatte gehofft, sie hätte es vergessen.
    »Na klar. Na klar, Hase. Wir können Mama anrufen.«
    »Sag ich doch, die ist schlau«, sagte der Barmann. »Was war das gerade, Deutsch?«
    In dem Moment wurde hinter der Schwingtür etwas gerufen, und der Barmann ging hinaus und kam mit Meadows Hotdogs in einem roten Korb zurück. Beim Anblick des Essens wurde Meadow munter. Sie kletterte auf den nächsten Hocker und holte sich die Flasche Ketchup aus dem Behälter mit den Miniaturpäckchen Marmelade, der zwischen dem alten Mann und uns stand. Sie öffnete die Flasche, hielt sie über die Hotdogs und klopfte gegen den Boden, bis der halbe Korb voller Ketchup war. Ich sah ihr beim Essen zu. Sie aß mit Hingabe. Ich schlürfte meinen frischen Drink. Der erste hatte mich entspannt, der zweite nun versetzte mich in philosophische Stimmung.
    »Du bist eine gute Tochter«, sagte ich. »Weißt du das?«
    Sie sah mich an und stopfte sich einen Rest Hotdog in den Mund.
    »Du bist ein gutes Kind und sehr pflichtbewusst.« Ich hob dem Barmann das Kinn entgegen. »Also gut«, sagte ich. »Ich habe der Kleinen versprochen, dass ich ihre Mutter anrufe. Haben Sie ein Telefon?«
    »Gleich neben den Toiletten. Aber vielleicht sollten Sie erst mal austrinken.«
    »Ha, richtig. Hey, kippen Sie mir einen Eimer Wasser über den Kopf, falls ich in Brand gerate.«
    Ich stand auf und ging zum Münzautomaten an der Wand. Ich kramte in der Tasche meiner Khakihose nach 25-Cent-Stücken.
    Und genau in dem Moment spielte das Leben auf eine der bisher übelsten Weisen mit meinen Erwartungen. 7 Denn dort, auf dem Bildschirm über dem Tresen, prangte mein Gesicht.
    Mein Gesicht . Ein Schnappschuss etwa aus dem Jahr 2009, kurz vor der Trennung. Und weil das eine Zeit der signifikant sorgsameren Körperpflege war, eine Zeit, in der ich um einiges besser beieinander war, hatte ich eine ordentliche Frisur und wirkte für meine Begriffe ziemlich anständig und verantwortungsvoll. Blinzelnd sah ich zum Fernseher hoch. Dort standen Name, Alter, Ethnie, Augenfarbe etc.
    Das Freizeichen rauschte in meinem Ohr.
    Ich sichtete die Lage an der Bar. Der Barmann hatte sich auf einen Ellenbogen gestützt und guckte von seinem Platz hinterm Tresen zum Fenster hinaus. Meadow war mit ihren Hotdogs beschäftigt. Aber der alte Säufer in der Ecke blickte stur auf den Fernseher, wo jetzt Meadows Gesicht auftauchte, mit ihrer unverkennbaren roten Brille, die Haare hübsch gebürstet – das Kindergartenfoto vom letzten Herbst. Der Telefonhörer rutschte mir aus der Hand und knallte gegen die Holzvertäfelung.
    Der Barmann drehte sich um und schaute nach mir. »Na, hat sie Ihnen die Hölle heißgemacht?«
    »Gott ja«, sagte ich lächelnd. »Und wie.«
    Ich bückte

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