Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
verspürte das leise Murren des Hungers.
Als er am Ende der Halle angekommen war, hätte er es fast nicht bemerkt. Schon wollte er zurückgehen. Dann erst registrierte er das, was er in der anderen Ecke des Gebäudes gesehen hatte. Mit schnellen Schritten durchflog er die Gänge und blieb vor dem Loch im Boden stehen, das ungefähr drei mal vier Meter maß und in die Betonsohle hineingestemmt worden war. In dem offenliegenden sandigen Boden war Porree schräg liegend eingegraben. Nur die grünen Enden kamen heraus. In ihrer Anordnung wirkten sie wie ein geflochtener Teppich aus Palmblättern.
"Lauch", sagte Sänger vor sich hin und grub in seiner Jackentasche nach dem Zettel, den die Frau des Gemüsehändlers ihm überlassen hatte. Er entfaltete ihn nervös vor Spannung und ging die Liste durch. Als er gefunden hatte, wonach er suchte, blieben seine weiten Augen stecken: "Lauch!", rief er.
"Wie viel brauchen sie denn?", fragte ihn eine seltsam näselnde Stimme, die gegen den Lärm des großen Ventilators ankämpfte, der weiter oben in der Wand montiert die verbrauchte Luft aus der Halle ins Freie transportierte.
Sänger drehte sich um und sah in das Gesicht eines Mannes, der merkwürdig entstellt war. Dort, wo eine Nase hingehörte, saß ein zusammengesetzter Hautlappen, der ihm notdürftig angesetzt worden schien. Jedoch war sein Antlitz nicht hässlich, denn seine anderen Gesichtszüge waren fein geschnitten. Seine gealterte Haut war sonderbar grau. Der Mann trug einen taubenblauen Kittel und zückte einen Bleistift, der gerade noch hinter seinem rechten Ohr geklemmt hatte. Er bewegte ihn mit sicherer Gewandtheit auf das Schreibbrett zu, das er in seiner Linken hielt.
Sänger sah ihn verdutzt an. "Äh, nein, ich brauche eigentlich nichts. Vielleicht doch. Geben Sie mir drei Stangen von dem Porree, bitte!"
"Hören Sie, drei Stangen! Was stellen Sie sich vor? Sie können die Hälfte von dem, was Sie da sehen, haben oder alles. Aber drei Stangen. Dafür gähne ich nicht mal."
"Bitte bringen Sie mich zu Ihrem Chef", bat Sänger.
"He, Sie brauchen sich nicht gleich zu beschweren, nur weil ..." Der Mann streckte die offene Hand aus und machte eine beschwichtigende Geste.
"Ach, nicht ihretwegen. Es geht um etwas anderes! Um etwas Wichtigeres!", beharrte Sänger.
"Na dann kommen Sie mal mit!", antwortete der Alte. Er ging voran und führte Sänger durch die Gänge und Schluchten der vollen und leeren Paletten und Steigen, aus denen der schwere Geruch reifer Früchte an seine Nase drang. Am Ende erwartete sie ein Glaskasten, der drei Büroräume enthielt.
"Der da ist der Chef. Aber wie Sie sehen, ist er beschäftigt!"
Der Mann, auf den der Lagerarbeiter zeigte, saß an einem Schreibtisch und telefonierte. Er hatte ein energisches Gesicht, das von seinem dichten dunklen Haar eingerahmt war. Sein kräftiger Oberkörper war leicht nach vorn gebeugt. Seine freie Hand schrieb Figuren in die Luft.
Sänger betrat das Büro und stellte sich gleich neben Mainzers Tisch. Der Händler sah auf und redete weiter ins Telefon. Nach einer halben Minute fragte er ihn höflich: "Was kann ich für Sie tun?"
"Ich bin Arzt am Klinikum, ich habe die beiden kleinen Freunde ihres Sohnes öfter untersucht. Mein Name ist Sänger."
"Aha. Bitte nehmen Sie doch Platz." Mainzers Gesicht war misstrauisch. Seine Hand machte eine einladende Bewegung zu einem einfachen Holzstuhl, der mangels Raum in eine Ecke platziert worden war. "Ist was passiert mit den Kindern, dass Sie hierher kommen?"
"Nein, keine Angst. Nein, ich bin aus einem anderen Grund hier. Wir haben eine Vermutung, woher diese Kinder das Gift aufgenommen haben. Sagen Sie, wieso haben Sie den Lauch dahinten eingegraben?"
"Das ist ein alter Hobbygärtner-Trick: zum Frischhalten. Mein Vater hat das immer so gemacht. Der Lauch wird geerntet und dann schräg, fast liegend mit sandigem Boden bedeckt, so wie da hinten."
"Seit wann machen Sie das so?"
"Seit ein paar Wochen. Aber wieso fragen Sie das?"
"Warum erst seit ein paar Wochen?"
"Wir haben dort hinten ein Loch stemmen müssen, um an ein verstopftes Abflussrohr ranzukommen. Blöde Geschichte war das! Das Rohr läuft unter dem Hallenboden entlang. Damals, als die Halle gebaut wurde, haben wir dummerweise nicht drauf geachtet. Als wir das Rohr repariert haben und ich den Sand sah, und da kam mir die Idee mit dem Porree. Es ist ein Problem mit dem Zeug, wenn es länger in Kisten lagert. Dann werden die unteren Stangen faul. So
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