Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
tief durch und sagte: "Tempelhof. Dieser Flughafen hat eine unglaubliche Geschichte. Wissen Sie, Richter, als Sie noch nicht einmal erdacht waren, da haben die Alliierten hierher den Knotenpunkt einer der beispiellosesten und gigantischsten Aktionen der Geschichte gelegt: die Luftbrücke nach Berlin. Durch sie wurde eine ganze Stadt mit Lebensmitteln und anderen Dingen versorgt. Weil die Sowjets alle Überlandpassagen gesperrt hatten. Damals war ich selbst dabei, ich habe hier freiwillig Kisten geschleppt. Da war ich noch kein Bulle!"
Bis zum Taxistand sprachen sie wenig. Sie legten ihr Handgepäck in den Kofferraum des Mercedes und stiegen beide hinten ein. Vogler gab dem Taxifahrer eine Adresse an. Der Wagen setzte sich langsam in Bewegung. Nach einer viertel Stunde blieben sie stehen. "Bin gleich wieder da." Vogler verließ das Taxi und brauchte drei Minuten. Dann fuhren sie weiter.
"Was haben Sie in dem Haus gemacht?"
"Kleine Besorgung", grinste Vogler und lehnte sich zurück.
Sie hatten während des Flugs alles besprochen, so dass es keine Fragen mehr gab. Vogler war konzentriert. Er ließ sich seinen Plan noch einmal durch den Kopf gehen. Nach einer halben Stunde hielt der Wagen in einer heruntergekommenen Straße in Kreuzberg an. Vogler bezahlte.
"Waren Sie eigentlich schon mal in Berlin, Richter?"
"Einmal, vor Jahren. Da stand die Mauer noch, da hinten, nur hundert Meter entfernt. Wissen Sie, Kreuzberg hat mich damals an Berlin am meisten beeindruckt."
"Das Eindrucksvollste für mich auf dieser Mauer war ein Graffiti-Spruch", sagte Vogler, "den ich in tiefer Selbstbetroffenheit nie vergessen werde: Ausländer rein, Rheinländer raus!, stand da."
Richter gackerte wie ein Huhn.
"Dort ist es." Vogler deutete mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf ein schäbiges Haus, in dessen Eingangstür statt Glasscheiben zwei Hartfaserplatten festgenagelt worden waren.
Richter öffnete und trat ein. Vogler nickte und ging voraus. Die hölzerne Treppe knarrte unter ihrem Gewicht, obwohl sie zu schleichen versuchten. Sie arbeiteten sich Stock für Stock nach oben und lasen die Namen auf den Türschildern, sofern sie zu entziffern waren. Manche Türen hatten keine Namensschilder. Als sie den obersten Stock kontrolliert hatten, sagte Vogler: "Er wohnt in diesem Haus, das weiß ich." Er klingelte an einer der Türen. Nach kurzer Zeit machte eine junge Frau auf.
"Können Sie mir sagen, wo Herr Ganter wohnt?"
"Kenn ick nich!", schnodderte die Frau und kaute Kaugummi.
Vogler packte ein Bild aus, das ihm seine Kollegen in Aachen überlassen hatten, nachdem Ganters Fingerabdrücke identifiziert worden waren.
"Seid ihr vonner Polente?", fragte die Frau und lehnte am Türpfosten.
"Nein, sind wir nicht, keine Angst, er bekommt Geld von uns", lächelte Richter.
"Krieg ick auch wat?", krächzte sie frech und hielt die Hand auf.
"Schon gut, Perle", Richter legte ihr einen Zehner in die Hand. Ihre Hand bewegte sich auf und ab, ihr Gesicht keinen Zentimeter. Richter legte noch einen drauf.
"Tja, der da wohnt im zweeten, die rechte Wohnung."
"Dank dir", sagte Richter und zog ihr den zweiten Schein wieder aus der Hand.
"Ja ja, du Geizhals." Sie schlug die Tür zu.
Vogler lief die Treppe runter in den zweiten Stock und klingelte an der rechten Wohnung. Nach einer Zeit öffnete sich die Tür einen Spalt. Vogler trat mit voller Kraft zu. Die Wucht warf den verschreckten Ganter zurück. Seine Augen waren weit aufgerissen. Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Eine Sekunde später lachte Vogler ihm ins Gesicht, während Richter ruhig die Tür von innen verschloss.
"Was wollen Sie von mir?", fragte Ganter von einem Biss Brötchen gedämpft.
"Nun regen Sie sich mal nicht auf, wir tun Ihnen schon nichts!", sagte Vogler fast väterlich. "Wir wollen nur ein Geständnis von Ihnen!"
"Seid ihr Bullen?" Ganter hatte seinen Schreck überwunden und signalisierte seine Verachtung durch einen Blick voller Abscheu.
"Nein, sind wir nicht!", lachte Vogler.
"Wer schickt Euch?"
"Seien Sie lieber froh, dass Sie das nicht wissen", bluffte Richter hämisch.
"Was soll ich gestehen? Es gibt nichts zu gestehen!", sagte er barsch.
"Na, wie wär's denn mit der Wahrheit", schlug Richter vor.
"Und welche Wahrheit meinen die Herren?"
Vogler Miene wurde kalt. "Sie sind vorige Woche, um genau zu sein, am 4. April abends in Bitterfeld gewesen und haben auf das Gelände der ICCO, also des ehemaligen VEB Kombinats Kühlanlagen einen
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