Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
regelmäßig die Luft aus, die er zuvor gierig aufgesogen hatte. Dann stieg er weiter.
Der Punkt war inzwischen zu einem Menschen herangewachsen und betrat gerade die Alm. Schröder hatte erst die Hälfte des Aufstiegs zur Grünen Schneid geschafft. Ihm war klar, dass der Mann ihn einholen würde, bevor er oben sein konnte.
Plötzlich hörte er einen Ruf. Er wandte sich um und sah, wie der Mann einen Skistock hin und her schwenkte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Schröder ging weiter. Der Mann setzte sich ebenfalls in Bewegung und schien den Berg hinauf zu fliegen.
Schröder versuchte, seine letzte Kraft zu mobilisieren mit dem sicheren Wissen, dass es eigentlich sinnlos war. Dieser Skibergsteiger verfügte über eine unglaubliche Kondition. Unaufhörlich verkürzte sich der Abstand zwischen den beiden. Schröder fluchte leise; allmählich stieg Panik in ihm auf.
Kurz unter dem Grat der Schneid war der Mann schon so nahe, dass sein Gesicht endlich zu erkennen war. Schröder fiel ein Stein vom Herz. Er stützte sich auf die Stöcke, schloss die Augen und atmete durch. Der Mann kam näher und näher, und schließlich standen sie sich gegenüber.
"Reinhard, wie kommst du hierher? Wie lange haben wir uns nicht gesehen?", sagte der Mann fröhlich in weichem Kärntnerisch.
Die beiden Männer umarmten sich und klopften sich freudig auf die Schultern.
"Heli! Mein Gott, bin ich erleichtert!"
"Schön dich zu treffen. Aber wieso bist du allein unterwegs, als würd dich der Teufel jagen? Warum hast du mich nicht vorher besucht?"
"Ich stecke bis zum Hals in der Scheiße! Muss illegal über die Grenze, bin sozusagen auf der Flucht. Mir sitzen ein paar Leute im Nacken. Den italienischen Grenzbeamten kann ich auch nicht trauen."
"Wer kann das schon?", lachte er. "Was ist denn los?"
"Das ist eine lange Geschichte."
"Wie willst du denn nach Österreich?"
"Ich hab gehofft, hier jemand von euch zu treffen; ich dachte, ich gehe ins Eiskar und steige über die Nordwand ab."
Helmut Bauer sah ihn an wie einen Übergeschnappten. "Die Nordwand ist völlig zugeschneit. Da kommst du nie runter, viel zu gefährlich!" Er schüttelte heftig den Kopf. Bauer kannte diese Gegend wie seine Westentasche. Er war hier zuhause und in seiner Freizeit ständig in diesen Bergen unterwegs. Schröder wusste, dass er sich auf dessen Urteil verlassen konnte. Sie hatten einige schwierige Alpenwände gemeinsam als Seilschaft durchstiegen und waren im Laufe der Zeit gute Freunde geworden.
"Abseilen?"
"Hast du Seile dabei?"
"Ich dachte in der Hütte hängen genug …"
"Vergiss es, sind keine da."
"Wie kommst du zurück?", fragte Schröder.
Bauer verzog seinen Mund zu einem Grinsen und zeigte auf seinen Rucksack.
"Der Schirm!", staunte Schröder. "Du hast deinen Gleitschirm dabei, was?"
"Stimmt genau."
"Und wo willst du starten?"
Er sah den Kollinkofel hinauf und winkte mit dem Kopf. "Da oben. Ich werd ein Stück hinaufgehen, und flieg' nach Süden. Was hältst du davon?"
"Was fragst du mich. Weißt du, wie lange es her ist, dass ich die Lizenz erworben hab?"
"Nicht länger als meine, schließlich bin ich dir damals auf den Kopf gefallen."
Sie lachten. Als sie beide vor einigen Jahren das Fliegen lernen wollten, hatte Bauer die Landeeinteilung falsch eingeschätzt. Während Schröder seinen Gleitschirm zusammenlegte, hörte er plötzlich seinen Freund in der Luft über sich schreien, kurz bevor er seine Beine genau auf Schröders Schultern platzierte und vornüber ins weiche Gras fiel, wo sich eine Kuh für ihre Exkremente und Helmut Bauer für seine rechte Hand genau dieselbe Stelle ausgesucht hatten.
"Du hast mehr Flugerfahrung", entschied Schröder. "Ich bin vor mehreren Jahren das letzte Mal geflogen. Aber bitte, wenn du meinen Rat hören willst ..." Schröder sah mit verkniffenen Augen in den Himmel, leckte seinen Finger und streckte ihn in die Luft. "Ich denke, es geht. Die Wolken versprechen gute Thermik, der Wind ist gut, und du hast einen leistungsfähigen Schirm, oder?"
"Ja, das Ding ist wirklich eine Pracht. In der Thermik kaum zu schlagen; wie in einem Aufzug!" Er tätschelte sanft den bunten Rucksack, in dem der Schirm zusammengepackt war. "Reinhard, am besten wird sein, du fährst mit Skiern nach Süden hinunter, und wir treffen uns am Parkplatz." Er hatte offensichtlich nicht ganz verstanden, in welcher Lage Schröder sich befand.
"Heli, bitte hör zu! Ich kann die Grenze am Plöckenpass nicht überschreiten!"
"Zu
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