Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)

Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)

Titel: Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
Vom Netzwerk:
bevor er entstanden war. Wieder ein Stoß, wieder diese Glut in ihrem Brustkorb, wieder nicht das Ende, immer noch das letzte Aufbäumen von Leben, von dem sie nie gewusst hatte, wie sehr sie es in ihren letzten Momenten verfluchen würde. Sie sah einen Schleier aus Rot und wollte eine Hand umklammern, die ihr den Weg in den Tod erleichtern würde; selbst die ihres Mörders hätte sie genommen, denn er war in diesen endlosen Augenblicken der letzte Mensch, den sie noch am Leben sehen würde und zu dem sie nun eine seltsame Bindung empfand. Dann drang das Messer erneut ein und schob sich vor, durchtrennte die Fasern ihrer Brust, schob knirschend zwei Rippen zur Seite, durchschnitt dunkles Fleisch und war an ihrem Herz angelangt. Der Stahl drückte die Wand des Muskels ein, als wolle ein Fingernagel die Reife einer Tomate prüfen, verstärkte seinen Druck, und das Herz platzte: Ihre Schmerzen ließen nach, die Glut wurde kühler. Endlich war sie frei.
    *
    Der Morgen war kalt. Schröder erwachte mit einem Frösteln, legte die Decken zur Seite und begann sogleich das Frühstück vorzubereiten. Als der Kocher rauschte, freute er sich sehnsüchtig auf einen heißen Tee. Als das Wasser brodelte, warf er zwei Darjeeling-Beutel hinein.
    Er dachte an Barbara. Hoffentlich hatte sie keine Schwierigkeiten gehabt. Er freute sich, dass sie sich in Brixen gut verstanden hatten.
    Nach dem Frühstück, das aus Tee, Müsli und viel Zucker bestand, trat er vor die Kaserne und betrachtete den anbrechenden Tag. Genau im Osten stand die Sonne und beschien die andere Talseite. Der Schnee glitzerte und entlockte ihm die Lebensfreude, die er stets spürte, wenn er in den Bergen war.
    Nachdem er den Rucksack gepackt hatte, befestigte er die Felle unter den Laufflächen der Skier. Er stellte die Bindung so ein, dass das vordere Gelenk der Fußplatte die nötige Auf– und Abbewegung zum Gehen gestattete. Dann schlüpfte er in die Tourenstiefel, deren Innenschuhe er zuvor fest verschnürte. Die Teleskopstöcke fuhr er auf die richtige Länge aus. Danach schickte er sich an, langsam aber stetig das Hochtal hinaufzusteigen.
    Vor seinem Gesicht kondensierte feuchter Atem zu Wolken, die sich sogleich wieder auflösten. Nach zehn Minuten spürte er den heißen Schmerz in seinen Schenkeln. Die kalte Luft schien seine Lungen zu durchschneiden. Seine Jacke war offen, sodass sein Schweiß entweichen konnte.
    Er fand schnell seinen Rhythmus und wurde zur Maschine. Die Zeitspanne seiner Bewegungen wurde zur Konstanten. Er hatte sein Ziel bereits vor Augen: die Grüne Schneid, jener mit Gras bewachsenen Einschnitt aus Schiefer, der sich wie ein Vorhang zwischen zwei Bergen aus grau leuchtendem Kalkstein aufspannte. Da oben war er zwar erst am Beginn der eigentlichen Schwierigkeiten seiner gewählten Route. Aber dort war die Staatsgrenze.
    Das Gelände wurde flacher. Er stand auf der Malga Collinetta di sopra, jener Alm, deren saftige Wiese im Sommer mit groben Kalkblöcken übersät war. Nun lagen die Felsbrocken unter der Schneedecke begraben und waren nur noch als sanfte Buckel zu erkennen. Zu seiner Rechten sah Schröder das völlig verfallene Almhaus, das zum Schutz gegen Lawinen und Steinschlag in eine Kaverne hinein gemauert worden war.
    Er stützte sich auf seine Skistöcke, legte seinen Kopf in den Nacken und sah nach oben. Rechts der Grünen Schneid ragte der Cellon empor, dessen Name für viele Todesschicksale stand. Im ersten Weltkrieg hatten sich Italiener und Österreicher an diesem Berg gegenseitig hingemetzelt. Links der Grünen Schneid zog der rampenartige Grat zum Gipfel des Kollinkofels hinauf. Der Berg war mit Schnee bedeckt und überragte Schröders Position um weit mehr als tausend Meter.
    Schröder überquerte die Alm. Als er zurück sah, erkannte er weit unten einen kleinen Punkt, der sich allmählich in seine Richtung bewegte. Bis zur Schneid war es noch fünfhundert Höhenmeter. Er legte Tempo vor und erreichte den Steilanstieg, der nur in Serpentinen zu schaffen war.
    Der Abstand zu dem Punkt unter ihm verkleinerte sich. Schröder war beeindruckt und besorgt zugleich. Wer konnte das sein? Ein harmloser Bergsteiger oder jemand, der ihn verfolgte? Vielleicht einer seiner Kärntner Freunde, die hier oft die Einsamkeit der Berge suchten? Er ging weiter und versuchte, sein Tempo noch zu steigern. Er keuchte.
    Nach kurzer Zeit spürte er, dass er zu schnell gegangen war. Er stützte seinen Oberkörper auf die Stöcke und pustete

Weitere Kostenlose Bücher