Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
Küche. Wenigstens für wenige Augenblicke wurde ihr tiefes Leid von der Neugier übermannt. Sie öffnete das Schreiben und las:
Liebe Eva,
ich weiß, wie Du Dich jetzt fühlen musst, und ich stehe tief in Deiner Schuld, die mein Leben lang anhalten wird. Was geschehen ist, das war eine bittere Entscheidung des Schicksals, die nicht hätte sein dürfen. Helmuts Tod ist indirekt meine Schuld; denn die Schüsse waren für mich bestimmt. Er war zufällig Zeuge. Deshalb haben sie ihn kaltblütig getötet. Ich habe das Drama auf unerklärliche Weise überlebt. Ich werde Dir irgendwann die ganze Geschichte erzählen, wenn Du mir hoffentlich wieder in die Augen sehen kannst. Jetzt bin ich selbst meines Lebens nicht sicher! Wenn Du mich trotzdem erreichen willst, dann kannst Du mich in Wien bei Dr. Ludwig Vennmeier finden. Seine Adresse steht im Telefonbuch. Ich umarme Dich in Gedanken und würde gern Dein Leid mit Dir teilen. Vielleicht wirst Du eines Tages verstehen, warum ich Dir das alles nur durch einen Brief mitteile konnte.
Reinhard
Sie ließ den Brief sinken und wusste nicht, was sie machen sollte. Sie hatte Reinhard immer als Freund des Hauses geschätzt. Und nun das! Warum hatte er überlebt, wo doch ihm der Anschlag galt, und nicht ihr Mann, der doch unbeteiligt war? Warum war er nicht persönlich zu ihr gekommen? Warum war er nach Wien geflüchtet? Ihr wurde schlecht, und sie übergab sich am Tisch sitzend. Einer seiner einst besten Freunde hatte ihren Mann im Stich gelassen.
Trotzdem! Tief im letzten Winkel ihrer Seele spürte sie, dass Reinhard unschuldig war. Sie würde nichts gegen ihn unternehmen. Doch Ihr Herz war kurz vor dem Zerreißen. Sie zerfetzte den Brief und schrie nach Leben.
*
Der Abend war kühl. Nieselregen legte einen Schleier über das Land. Die Turbinen heulten auf und beschleunigten die Maschine, bis der Sog, der an ihren Tragflächen zerrte, sie abheben ließ. Vogler sah aus dem Fenster. Seine Augen ließen den Flughafen immer kleiner werden. "Richter, haben Sie schon mal Detektiv gespielt?"
"Ich entnehme ja immer wieder Bodenproben für die BUTec, wie im ICCO-Fall. Ist ja auch irgendwie detektivisch. Oder zählt das nicht?"
"Ich meine, kennen Sie sich aus, wie man Leute … zum Reden bringt?"
"Nein, aber ich denke, Sie werden mir ein guter Lehrmeister sein."
"Sie haben Mut, junger Mann. Was Sie jetzt tun werden, entspricht nicht ganz dem Gesetz. Aber das wissen Sie ja."
"Natürlich." Richter nickte.
"Hat Montag mit Ihnen darüber gesprochen?"
"Hat er. Aber er nannte keine Einzelheiten."
"Wir werden einen Mann unter Druck setzen müssen, der Ihren Chef in die Scheiße geritten hat", sagte Vogler.
"Wollen Sie körperliche Gewalt anwenden?"
"Wo denken Sie hin? Ich habe Stil. Nein wir werden Intelligenz und List einsetzen. Sie machen das doch freiwillig, oder?"
"Natürlich. Dazu kann mich schließlich niemand zwingen."
"Genau das wäre für unser Vorhaben nicht förderlich, denn wir brauchen geistige Entschlossenheit! Haben Sie Schopenhauer gelesen?" Vogler schlug mit der Hand in die Luft. "Ach was, ihr jungen Burschen!"
Die Maschine ging in den Horizontalflug über, und Vogler legte den Gurt ab.
"Wie werden wir vorgehen?", fragte Richter und nagte an einem Sandwich.
"Wir erzählen ihm, was wir wissen und einiges mehr. Wir müssen ihm Angst machen. Er muss mehr Angst vor den Folgen seiner Taten haben als vor den Italienern. Nur so kriegen wir ihn."
"Und danach?"
"Ich werde das gesamte Gespräch aufzeichnen." Vogler nahm ein kleines Diktiergerät zur Hand.
"Aber das wird nicht viel nützen, vor Gericht ist nach deutschem Recht eine Bandaufzeichnung nicht zu verwerten, das wissen Sie doch!"
"Natürlich, aber wenn ich das Band meinen Berliner Kollegen übergebe, werden die schon ihre Schlüsse daraus ziehen und ihn festnageln."
"Ich verstehe. Auf in den Kampf! Für Reinhard ist mir nichts zu steil. Dieses Schwein werden wir in die Pfanne hauen!"
*
Sänger hielt die Listen über das in der Hand, was die beiden Patientinnen in den letzten Tagen gegessen hatten. Nichts war außergewöhnlich daran. Jede Menge Frischgemüse und Obst. Sie hatten Angaben darüber gemacht, was sie wo eingekauft hatten. Beide hatten ihre bevorzugten Obst– und Gemüsehändler angegeben. Einer der Händler stimmte überein. Sänger legte die Listen auf den Beifahrersitz und fuhr los.
Der Händler hatte sein Geschäft in der Innenstadt. Als Sänger den Laden betrat, kam ihm ein
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