Schrottreif
Nähe kommen.
»Halt den Mund!«, fuhr Valerie ihn genervt an. Dann sagte sie: »Entschuldige.«
Markus räumte mit versteinertem Gesicht den Veloständer und die Velos vor die Tür. Es war ihm klar, dass das FahrGut-Team in nächster Zeit praktisch wie im Schaufenster ausgestellt arbeiten musste, und er, der gerne im Hintergrund werkelte, hasste das wohl noch mehr als Valerie.
An diesem Vormittag kamen jedoch nur wenige Kunden. Aber es tauchten, wie erwartet, immer wieder Neugierige auf, die sich ungeniert nach dem Ort des Geschehens erkundigten und ihn besichtigen wollten. Irgendwann deutete Valerie nach draußen und sagte: »Dort, neben dem Brunnen ist es passiert.«
»Ich habe aber gelesen, es war im Keller«, intervenierte der Frager.
»Raus!«, rief Valerie, aber eher überdrüssig und angewidert als wütend.
2. Teil
Sie schaute hinaus und plötzlich blieb ihr Blick an etwas hängen. »Das darf doch nicht wahr sein!« Sie warf das Werkzeug, das sie in der Hand gehalten hatte, auf den Boden und war schon unterwegs. Rief Markus zu, sie sei gleich wieder da. Rannte hinaus, schwang sich aufs Rad und fuhr in Richtung Goldbrunnenplatz. Einem anderen Fahrrad hinterher. Sie hatte es schon aus den Augen verloren, aber dann entdeckte sie die Fahrerin, die es ankettete und im Coop verschwand. Valerie parkierte ihr eigenes Velo etwas weiter entfernt, lief zu dem Fahrrad, das sie verfolgt hatte, kettete es mit einem zweiten Schloss an und wartete in einiger Entfernung auf die Rückkehr der Besitzerin.
Valeries Lebensgeister waren schlagartig zurückgekehrt, im Bruchteil einer Sekunde, als sie das schicke Mountainbike wiedererkannt hatte, das vor etwa zwei Wochen – es kam ihr wie eine Ewigkeit vor – geklaut worden war, damals, als Markus mit dem falschen Ausweis hereingelegt wurde. Es hatte einen moosgrünen Rahmen, eine Farbe, die bei diesem Modell nur FahrGut im Sortiment hatte. Valerie kannte ihre Fahrräder. Und sie hatte auch die Fahrerin des Velos zweifelsfrei erkannt: Angela Legler. Valerie hatte zwar gehofft, diese Kundin nach dem hässlichen Auftritt in ihrem Geschäft nie mehr wiedersehen zu müssen. Aber jetzt war sie bereit, die Auseinandersetzung auf sich zu nehmen. Angela erschien nach zehn Minuten, ging zu ihrem Rad, um es aufzuschließen, und stutzte, als sie das zweite Schloss bemerkte.
»Was ist denn das?«, hörte Valerie sie verblüfft ausrufen. Sie trat von hinten an sie heran.
»Das ist ein Veloschloss, Angela«, erklärte sie höflich. »Und es sichert ein Fahrrad, das mir vor zehn Tagen aus dem Laden geklaut wurde.«
Angela begann nicht zu toben. Sie stand eher betreten da.
»Woher hast du dieses Rad?«, fragte Valerie, unverändert höflich. Sollte niemand von ihr sagen können, sie besäße keine Umgangsformen.
»Ich habs auf dem Kanzlei-Flohmarkt gekauft, am letzten Samstag.«
»Aha. Vom Flohmi. Interessant«, bemerkte Valerie. »So ein neues, schönes Mounty. Technik vom Feinsten. Wie das wohl auf den Flohmarkt gekommen ist? War sicher sehr teuer.«
»300«, murmelte Angela schuldbewusst.
Valerie war sogar geneigt, ihr zu glauben. Gerade wegen ihres Schuldbewusstseins. Angela verstand genug von Fahrrädern, um zu wissen, dass ein solches, ganz neues Rad zu diesem Preis auf krummen Wegen auf dem Flohmarkt gelandet war. Aber sie hatte es selbstverständlich gerne gekauft, ohne Fragen zu stellen. Dass es ausgerechnet von FahrGut stammte, war natürlich besonderes Pech.
»Wir gehen jetzt miteinander zur Polizei«, erklärte Valerie und Angela Legler sträubte sich nicht.
*
Zita Elmer wollte erst gar nicht glauben, dass die Inhaberin des FahrGut schon wieder vor ihr stand, am ersten Tag, als der Laden wieder geöffnet hatte. Sie nahm ein Protokoll auf und verpflichtete Angela Legler, sie am nächsten Samstag auf den Flohmarkt zu begleiten, um allenfalls die Verkäuferin identifizieren zu können. Angela versicherte, sie habe sie nicht gekannt, würde sie aber eventuell wiedererkennen können. Sie zog zu Fuß ab, während Valerie mit ihrer Beute in den Laden zurückkam. Luís’ Bewunderung für seine Chefin war wieder einmal grenzenlos. Er war erleichtert, dass sie nicht mehr den Kopf hängen ließ, sondern fast die Alte zu sein schien. Markus hingegen nahm Valeries Erfolg stumm zur Kenntnis.
Am frühen Nachmittag rief Raffaela Zweifel an und berichtete vom Unfall ihrer Großtante. Also deshalb war sie telefonisch nicht erreichbar gewesen. Es tat Valerie
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