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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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Blick auf Colins Geschlechtsteil – so desinteressiert, dass sich Colins Männlichkeit umgehend beleidigt fühlt.
    »Ich verspreche …«, beginnt Colin, spürt plötzlich eiskaltes Metall. »Ich will meinen Anwalt sprechen!«, presst er hervor. »Nicht so fest, verdammt!«
    »Immer wenn ich mit einer Antwort unzufrieden bin«, erklärt Verena, »wird einer meiner Mitarbeiter eine der beiden Schraubklemmen um eine halbe Umdrehung enger einstellen.« Sie setzt ihre Brille wieder auf und wühlt in einigen Papieren. »Dann woll’n wir mal.« Sie stutzt. »Das hätte ich doch fast vergessen. Die Frage nach Ihrem Anwalt gefiel mir nicht. Ich denke, wir sollten daher eine Schraube schon jetzt eine halbe Umdrehung enger stellen, finden Sie nicht auch?«
    »Es war gar keine Frage«, bringt Colin hervor, während der tumbe Uniformierte nach der Schraubklemme greift. Colin hofft, dass der Mann weiß, wie viel eine halbe Umdrehung ist. Dann unterdrückt er einen unmännlichen Schrei.
    »Sie verbreiten also systemfeindliche Liedtexte«, sagt Verena.
    Colin weiß nicht, ob das als Frage gemeint ist. Er wartet lieber ab. Er hat Angst vor Verena. Diesen Impuls übermittelt ihm sein Unterbewusstsein, weil es sich ganz schön in der Klemme befindet. Frauen sind unberechenbar und gefährlich. Andererseits wäre die Weltgeschichte weit weniger blutig verlaufen, wenn Frauen die Geschicke der Politik gelenkt hätten. Frauen verhalten sich pragmatisch. Empathisch. Sie brechen keinen Krieg vom Zaun, weil ihnen plötzlich ihr Land zu klein wird.
    So weit die Theorie. Die Praxis macht sich in Form kalten Metalls bemerkbar. Colins Dilemma ist dies: Er möchte ja kooperieren. Er weiß bloß nicht, was man von ihm will. Und wer »man« überhaupt ist.
    »Was wollen Sie eigentlich von mir, Verena?«, wagt er zu fragen.
    »Das ist meine Sache«, gibt Frau Consultant zurück. »Und verlassen Sie sich darauf: Ich werde es bekommen.«
    »Daran zweifle ich nicht«, sagt Colin. »Aber ich glaube, es geht schneller, wenn ich weiß, was es ist.«
    »Überlassen Sie das mir. Ich gehe nach einem ausgeklügelten System vor. Ein Praktikant kann davon natürlich nichts wissen. Deshalb seien Sie froh, dass ich mich jetzt um Sie kümmere.«
    Das ist Colin auch, denn im Grunde hat er von Praktikant Ralfs deutlich mehr Schläge bezogen. »Was wollen Sie über meine Songs wissen?«, fragt er.
    »Wie kommen Sie darauf, dass ich über Ihre Songs sprechen will? Sie sollten mit der Geheimniskrämerei aufhören.«
    »Hören Sie«, begann Colin, um erneut zu versuchen, kooperativ zu sein.
    Aber er wurde unterbrochen. »Nein«, schnitt Verena ihm das Wort in der Mitte durch, »jetzt hören Sie erst mal zu! Geheimhaltung ist die Wurzel allen Übels. Zum Beispiel Kryptografie. Niemand – ausgenommen der gewünschte Empfänger – weiß, was in einer verschlüsselten Nachricht steht. Hätten die Kommunikationspartner nichts zu verbergen, müssten sie sich nicht die Mühe machen, die Nachricht zu verschlüsseln. So aber muss man davon ausgehen, dass sie Pläne zum Bau von Bomben enthält. Kryptografie ist Terrorismus! Opfer sind nämlich Unschuldige, die als zwangsläufiger Kollateralschaden die Kosten für das Knacken der Codes oder für die Wahrheitsfindung in Einrichtungen wie diesen bezahlen müssen.«
    Colin entgegnet nichts. Er hat keine Ahnung von Kryptografie, hat seine Mails nie verschlüsselt. Ihm geht auf, dass eine Menge Leute sie gelesen haben könnten, und wieder bricht ihm Schweiß aus.
    Verena redet derweil weiter. »Brave Bürger haben keine Geheimnisse. Vor dem Internet-Zeitalter ist auch niemand auf die Idee gekommen, Päckchen mit einem Vorhängeschloss zu versehen. Glücklicherweise waren die Hersteller von Krypto-Software unfähig, sie auf breiter Front unter die Leute zu bringen. Nicht mal kostenlos! Bezahlt hätte ohnehin niemand für so kompliziertes Zeug. Es gehört eine Portion Wahnsinn dazu, sich Zugang zu Kryptographie zu verschaffen. Oder kriminelle Energie. Oder beides. Das ist dann Terrorismus.« Sie schüttelt den Kopf. »Die Welt könnte so viel einfacher sein. Wie viel Geld und Ressourcen werden verschwendet, um Zäune und Mauern zu bauen, damit kein Unbefugter eindringt! Dabei wären einfache Pappschilder viel billiger! Aber nein: Ohne Zäune kommen Fremde aufs Grundstück, pinkeln in die Ecke oder klauen Kupferdraht aus funktionierenden Elektroinstallationen, um ihn als Schrott zu verkaufen. Deshalb müssen wir die Menschen zu

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