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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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nicht.
    Colin nahm sich vor, an einem anderen Tag zu sterben. Er nahm sich noch eine Menge anderer Dinge vor, während er sich unter einem Stapel unbenutzter Gartenstühle versteckte. Verborgen hinter geblümten Sitzpolstern in sonnigen Farben, plante ein Neunzehnjähriger seine Zukunft, während um ihn herum eine Hochzeitsgesellschaft im Rahmen einer zünftigen Familienfehde abgeschlachtet wurde.
    Am schlimmsten war, dass Colins Blase so sehr drückte, dass er zappeln musste.
    Er rief nicht um Hilfe. Denn auf jeden Hilferuf folgte ein Schuss. Und kein weiterer Hilferuf. Die Angreifer erledigten ihren Job mit professioneller Konsequenz. Ihr Auftraggeber würde zufrieden sein mit der Leistung, die er für sein Geld bekam.
    Als sich Schritte näherten, hoffte Colin, dass er irgendwann ein weiteres Mal keine Gelegenheit bekam, seine geschickten Finger an etwas anderem auszuprobieren als an den Saiten seiner Violine.
        
     

Ruhrstadt, vielleicht Nacht
     
    Colin vermutet, dass es Nacht ist, weil die beiden Sicherheitskräfte, die ihn durch den Gang schleifen, zweimal gegähnt haben. Natürliches Licht hat Colin nicht mehr gesehen, seit er hier ist. Er hat gar nicht erst versucht, Herzschläge, Mahlzeiten, Schlafperioden oder gar etwas Abstraktes wie »Tage« zu zählen. Es kommt nicht darauf an, wie lange er genau hier ist. Es kommt darauf an zu überleben. Und darauf, in sein früheres Leben zurückzukehren. Oder in ein neues.
    Die Uniformierten haben Colin im Schlaf überrascht. An Träume kann er sich nicht erinnern. Er weiß noch, dass er zuvor jede Menge Dinge erzählt hat, die sein persönliche Befragungsreferent nicht hören wollte. Der karierte Herr Ralfs hat sich die ganze Zeit mit seinen Handlangern gestritten. Colin weiß nicht, warum. Er kann ohnehin komplizierte Fragen schlecht beantworten, wenn er unter Medikamenteneinfluss auf einer Metallliege im eiskalten Luftzug liegt.
    Bis zum Befragungsraum sind es noch ein paar Abzweigungen. Zeit genug für ein wenig Palaver.
    »Kennt ihr eigentlich meine Band?«, fragt Colin.
    Keine Antwort.
    »Bestimmt würde euch der Sound gefallen. Man kann auch dazu tanzen. Selbst wenn man nicht tanzen kann. Könnt ihr?«
    Keine Antwort.
    »Körperlich habt ihr’s ja drauf. Vielleicht wäre Pogo was für euch?«
    Schweigen.
    »Eine Wall of Death vielleicht? Wir machen das manchmal bei unseren Gigs. Ich bin der Sänger, wisst ihr?«
    Schweigend um eine Ecke. Nicht ganz zufällig macht Colins Bein mit einer Kante Bekanntschaft.
    »Ich rufe so was wie: Teilt euch unpolitisch in links und rechts, formt die Wall of Death!« Colin wiederholt den Vers zweimal und erinnerte sich an das Konzert in Frankfurt, wo sich wie auf Stichwort die Ersthelfer bereit gemacht hatten.
    Der Fremdtransport verharrt kurzzeitig.
    »Sehr gut«, sagt Colin, »ihr seid echte Fans! Macht mit! Einer auf die linke Seite, einer rechts. Dann gebe ich das Zeichen, und ihr rennt aufeinander zu. Ihr müsst möglichst heftig aufeinanderprallen, wisst ihr? Das ist der Witz an der Wall of Death.«
    Eine Pause entsteht, in der Colin mit wenig Hoffnung darauf wartet, dass seine Träger ihre Positionen einnehmen. Aber sie lassen ihn nicht einmal los.
    »Fällt es auf, wenn wir ihm gepflegt die Fresse polieren?«, sagt die tiefe Stimme des linken Uniformierten.
    »Kein bisschen«, sagt der andere. »Er ist ja eh schon voller Hämatome. Ein paar mehr merkt keiner.«
    »Doch! Ich habe sie gezählt!«, ruft Colin. »Die Teilnahme an der Wall of Death ist selbstverständlich freiwillig. Vielleicht seid ihr auch keine Crap-Metal-Fans? Was hört ihr denn am liebsten?«
    »Das Gewinsel eines Todgeweihten in seiner letzten Nacht«, verkündet der rechte Träger. »Die sinnlose Hoffnung auf Gnade, die sich in albernen Gebeten zu nicht existenten Gottheiten und bedingt publikationswürdigen Abschiedsbriefen manifestiert.«
    Colin ist erstaunt. Er versucht, den Kopf zu heben, um Blickkontakt herzustellen. »Sagen Sie mal«, keucht er, »haben Sie einen akademischen Abschluss? Vielleicht in Germanistik? Klingt fast so. Okay, ich weiß ja, dass man mit Bachelor in Sprachwissenschaft quasi jeden Job annehmen muss, aber ist das hier nicht ein klein wenig unter Ihrem Niveau? Zeigen Sie mir Ihren Doktorhut!«
    »Der winselt irgendwie anders als die anderen«, sagt der weniger gebildete Träger. »Und du übrigens auch.«
    Die anderen! Colin überläuft es kalt. Haben diese Schergen auch den Rest der Band in Gewahrsam? Befinden

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