SchrottT (German Edition)
Lars-Peter.
»Er hat das Stromkabel vom Drumcomputer versteckt.«
Colin glaubte, sich verhört zu haben. »Siegfried? Tier? Hey! Ich rede mit dir!« Erfolglos versuchte Colin, den Drummer zu sich umzudrehen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er war zu einer Statue erstarrt. Möglicherweise hatte ihn Karl Marx dazu inspiriert. »Warum zum Teufel?«
»Aus Protest«, erklärte James. »Er hat das Kabel aus Protest versteckt.« Die Worte klangen, als könne der Sprecher sie selbst nicht glauben.
»Oh-nein-oh-nein …«, brachte Lars-Peter mühevoll hervor und verbarg das Gesicht hinter den Händen.
»Protest gegen was?«, rief Colin seinem Drummer ins Ohr. »Rede mit mir, Tier! Oder grunze, wenn du’s mit Worten nicht ausdrücken kannst! Geht mir manchmal ja auch so.«
Tier grunzte tatsächlich etwas, allerdings verstand Colin ihn nicht.
»Er protestiert gegen den Medienmann«, übersetzte James. »Er sei unser Untergang, sagt er.«
»Okay«, sagte Colin, »wir schicken ihn zum Teufel!«
»Das geht nicht«, griff Lars-Peter ein. Er legte Colin seine zitternden Finger auf die Schulter. »Seid doch vernünftig. Stellt euch vor, er erfährt das hier und schreibt … oh … stellt euch das nur vor!«
»Wenn man vom Paparazzo spricht«, murmelte James Bond.
»Oh …«
Spanisch stand im Türrahmen und grinste so aufgeräumt, dass man dringend Unordnung in seinen Gesichtszügen schaffen wollte. Wenn das Universum Ordnung so erstrebenswert gefunden hätte, hätte es weniger Elementarteilchen hervorgebracht und mehr Leute wie Spanisch. »Dann wollen wir doch mal aus der Garderobe berichten«, sagte er und rieb sich die Hände.
Colin zupfte Lars-Peter am Hemdsärmel. »Schaff ihn raus«, raunte er ihm zu. »Ich kümmere mich um alles.«
»Wie soll ich denn …«
»Organisier ihm ein Exklusivinterview mit Blondy.«
Lars-Peter bewegte zweimal lautlos den Mund, dann verzog er ihn zu einem künstlichen Lächeln und drehte sich um. »Mein lieber Herr Spanisch. Wirklich schön, Sie zu sehen. Ich wollte sowieso gerade etwas Wichtiges … Haben Sie schon die Antipasti probiert? Und hatten Sie schon Gelegenheit, mit der Muse des Sängers zu parlieren?« Ehe Spanisch reagieren konnte, hatte der Manager ihn und Blondy hinaus auf den Gang gezogen.
Colin holte Luft. »Hört zu«, begann er.
»Nö«, machte James. »Wir sind am Arsch. Tier will nach Hause und ich auch, bloß hab ich dergleichen nicht. Er eigentlich auch nicht, aber das ist ihm gerade wohl egal.«
»Das ist nicht sonderlich hilfreich«, sagte Colin und wedelte mit dem Zeigefinger. »Wirklich nicht hilfreich!« Er zog sich einen Holzstuhl heran und setzte sich falsch rum darauf. Die Lehne schützte ihn vor Tiefschlägen, die seine Kollegen möglicherweise für ihn bereithielten. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass die Band zerrüttet war. Hatte er zu viel Zeit mit Blondy verbracht? Verlangte die Band seine ganze Aufmerksamkeit? Galt das nicht für alles, was einem wichtig war? Man musste eine Topfpflanze gießen, damit sie nicht verwelkte, das Klo putzen, damit man sich keine üble Untenrum-Krankheit holte, und – ja, manche Leute würden sogar behaupten, man müsse öfter mal zu Gott beten, damit er einem nicht irgendwann unerwartet eine Topfpflanze auf den Kopf fallen lässt.
Gebetet hatte Colin in letzter Zeit überhaupt nicht. Das galt genau genommen für sein gesamtes Leben. Allzu schlecht war er damit nicht gefahren. Oder hätte Gott der Regierung die lächerliche Idee mit der Polizei-Auktion ausgetrieben, wenn bloß mehr Leute das Vaterunser aufgesagt hätten?
Colin glaubte, dass die Menschen für sich selbst verantwortlich waren. Sie trugen die volle Verantwortung für jeden Schlamassel, den sie anstellten. Und sie mussten sich verdammt noch mal auf ihren Hintern setzen und sich voll auf eine Sache konzentrieren, wenn was daraus werden sollte.
Ungefähr das versuchte Colin, Tier begreiflich zu machen. Allerdings fuhr Tier unbeirrt damit fort, die Wand anzustarren, als hätte er noch nie hübscheren Sichtbeton gesehen.
Colin massierte sich die Stirn. »Wir könnten uns nach der Tour an die Hälse gehen, statt wie geplant Urlaub auf den Malediven zu machen – aber jetzt lasst uns erst mal unseren Job erledigen. Wäre das ein Kompromiss?«
Tier brummte. »Kein Kabel nich«, sagte er endlich.
»Wo zum Teufel bist du hin mit dem Kabel?«
»Versteckt«, knurrte Tier.
»Das haben wir kapiert«, sagte Colin. Er versuchte, nicht die Nerven zu
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