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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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Colin heute gehört hat.
    Verena sieht auf und lächelt. »Machen Sie sich keine Sorgen. Bisher ist noch niemand an dem Medikament gestorben.«
    »Gut«, entfährt es Colin, der bewegungslos mit dem Kugelschreiber in der Hand dasitzt und die Tablette anstarrt.
    »Es ist ein ganz neues Mittel«, sagt Verena. Die Begeisterung, die in ihrer Stimme mitschwingt, würde jedem Pharmalobbyisten ein glückliches Lächeln entlocken.
    »Und wenn«, keucht Colin Silben hervor, »und wenn ich … nicht unterschreibe?«
    »Dann müssen Sie die Tablette natürlich nicht nehmen«, sagt Verena und hebt abwehrend die Hände. »Wir zwingen Sie zu nichts.«
    Einen Moment lang ist es still. Dann wirft Colin einen Seitenblick auf den Aufpasser, der das gefüllte Wasserglas in der Hand hält.
    »Ich bek…komme das Wasser erst … wenn … wenn …«
    »Das Wasser dient einzig und allein dazu, die Tablette hinunterzuspülen«, sagt Verena. »Was dachten Sie denn? Getränke sind während einer Befragungssitzung nicht vorgesehen. Sehen Sie?« Sie zeigt auf ihren Schreibtisch. »Ich trinke auch nichts.«
    »Aber … ich kann … nicht …«
    »Nicht mehr sprechen? Ach kommen Sie!« Verena beugt sich vor. »Sie sind ein Simulant. Ein Schauspieler. Beim Fußball würde ich Ihnen jetzt die Gelbe Karte zeigen! Schwalbenkönig! Sie können sich gerne wieder hierher legen und ohne das Wundermittel weitererzählen. Ich habe Zeit, und meine Kollegen hier kennen Methoden, Ihre Zunge zu lösen, die weniger subtil sind als eine einfache Tablette. Hier, sehen Sie?« Sie hält Ihr Pad hoch, auf dem komplizierte Pfeildiagramme zu sehen sind. »Ist alles im Prozess definiert!«
    Colin schielt zu dem Wasserglas. Er schätzt seine Chancen ab. Ob er es schafft, dem Aufpasser den Kugelschreiber ins Auge zu bohren, sodass er das Glas fallen lässt? Kann er dann das Glas auffangen, bevor es auf dem Boden zerspringt? Oder wird er dann durch die nassen Scherben geschleift – rücklings, damit er nicht mit der Zunge an das kostbare Nass kommt – und weiter auf der eiskalten Pritsche befragt?
    Im Grunde weiß Colin, dass er nicht nur seine Würde, sondern auch seine Selbstbestimmung längst verloren hat. Nur ein letzter Rest Selbstbewusstsein lehnt sich noch auf. Stemmt sich gegen die Niederlage, die längst feststeht. Seine Mutter hat ihre Würde bei Länglich in Zahlung gegeben. Colin hat sich dessen verweigert, und jetzt kriegt er dafür weniger als nichts. Er nimmt den Kugelschreiber und unterschreibt die Erklärung, ohne sie zu lesen. Er kümmert sich nicht darum, dass nicht einmal er selbst diese Unterschrift entziffern kann. Wunderbar, so kann er hinterher behaupten, Verena habe sie gefälscht.
    »Auf dem zweiten Blatt auch«, schneidet ihre Stimme seinen Gedanken ab. »Sie wissen schon: Bürokratie.«
    »Kann ich hier sitzen bleiben?«, fragt Colin, bevor er die zweite Unterschrift leistet.
    »Herr Weinland«, sagt Verena. »Sie sollten inzwischen begriffen haben, dass meine Firma äußerst ergebnisorientiert arbeitet. Deshalb bietet die Prozessdefinition alle Freiheiten, um das gewünschte Resultat so effizient wie möglich zu erreichen. Wenn Sie da hinten auf dem Stuhl sitzen möchten, während Sie unter Einfluss des Medikaments alles erzählen, was ich hören will, habe ich nichts dagegen. Unterschreiben Sie und schlucken Sie die Pille.«
    Colin unterschreibt die zweite Ausfertigung der Unbedenklichkeitsbestätigung. Dann greift er nach der Tablette und schiebt sie zwischen die Zähne.
    »Sehr gut«, sagt Verena. »Mein Kollege wird Ihnen beim Schlucken helfen.« Sie macht eine Kopfbewegung.
    Colin schluckt widerstandslos die Tablette. Dann darf er das ganze Glas Wasser austrinken. Der Aufpasser schaut in aller Ruhe in seinem Mund nach, ob er das Medikament wirklich geschluckt hat.
    Ein lange nicht gekanntes Hochgefühl breitet sich in Colin aus. Es ist wie ein Prickeln, das mit Babyöl eingerieben wurde, damit es schneller durch den Körper flutscht.
    Colin lehnt sich zurück. »Ich weiß noch genau, dass ich mir ein Taxi zum Hotel genommen habe. Aus irgendeinem Grund war in der Minibar kein Alkohol. Also habe ich darüber nachgedacht …« Plötzlich muss Colin grinsen. Ihm wird warm. »Coole Pille. Haben Sie noch mehr davon? Ein weiteres Glas Wasser reicht notfalls auch, danke schön. Wo war ich? Ach ja: Ich war am Überlegen, ob ich in die Bar runtersollte, aber irgendwie hatte ich mich schon total Banane ausgezogen und schwupp – war ich

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