SchrottT (German Edition)
Sollte er nicht vorher einige Dinge mit ihr klären?
»Komm mit«, sagte er. »Setz dich neben mich.«
»Ich habe nichts mit Spanisch gehabt«, flüsterte Blondy, als sie neben Colin saß. Vorsichtig schielte sie nach hinten, aber der Journalist saß einige Reihen entfernt und bearbeitete sein MacBook.
»Er sagt das Gegenteil«, versetzte Colin, »und ihr habt beide keine Beweise.«
»Früher war man mal unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils«, murmelte Blondy.
»Früher war alles besser, das wusste schon mein Opa. Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Soll ich glauben, dass das ganze Theater hier real ist? Vor ein paar Tagen sind wir um ein Haar vor eine Art Hexengericht geschleift worden, in Chemnitz hatte ich den teuersten Orgasmus meines Lebens – ich glaube, fünf Lebensjahre hat er mich mindestens gekostet –, und das bloß, weil mir irgendjemand vermutlich eine von diesen EuroXKom-Patronen unter die Vorhaut geschoben hat, ohne dass ich es gemerkt habe. Und jetzt lässt mich mein Stiefvater von Nigerianern in gepanzerten Mercedes-Limousinen zur Hohensyburg geleiten, um mir die dortige Kirche zu zeigen.« Colin holte Luft. »Soll ich nicht lieber glauben, dass ich eine Romanfigur bin, die sich ein Wahnsinniger ausgedacht hat, der mal herausfinden wollte, was mit einem harmlosen Musiker passiert, wenn man ihn in eine Art neumittelalterliches Albtraumland versetzt? Oder soll ich glauben, dass die Nigerianer in diesen dicken Autos vor und hinter uns in Wirklichkeit Außerirdische sind, die mit uns Experimente durchführen, die so kompliziert sind, dass man sie nur versteht, wenn man auf einer höheren Bewusstseinsstufe steht?« Blondy legte ihm die Hand auf den Unterarm, aber Colin ließ nicht locker: »Soll ich glauben, dass du dich in mich verknallt hast, wie das schlauen Mädchen nun mal ständig passiert, wenn sie im Alter von 18 Jahren Popstars anbeten?«
»Ich bin 17«, sagte Blondy leise.
»Auch das noch!«, entfuhr es Colin. »Hattest du nicht gesagt, du bist … ach, auch egal. Soll ich einer 17-Jährigen glauben, die sich in Sekundenschnelle von einem Menschen, der zweifellos schlauer und gebildeter ist als ich zum Beispiel, in ein kreischendes Dummchen verwandeln kann, und das mit voller Absicht, eiskalt kalkuliert, um sich im Licht eines leidlich bekannten Musikers zu sonnen, wie es ein gewisser Journalist ausdrücken würde? Wie weit geht deine Berechnung? Weiter als mein Wahnsinn, den ich immer noch Leben nenne, weil ich sonst keins hätte?«
»Vielleicht bist du ja nicht als Einziger hier verrückt«, sagte Blondy und streichelte Colins rechte Hand. »Vielleicht muss man ja verrückt sein, um in dieser verrückten Zeit klarzukommen. Schau mal: Früher, als alles noch normal war … sozusagen … war es echt unpraktisch, verrückt zu sein. Man hatte alle möglichen Probleme.«
»Zum Beispiel?«
»In der S-Bahn haben sich die Leute woanders hingesetzt, wenn du versucht hast, dich mit ihnen zu unterhalten.« Blondy schob sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Hat mir meine Mama erzählt.«
»Es war verrückt, sich mit anderen Leuten zu unterhalten?«
»Irgendwie … ja. Ich weiß auch nicht.«
»Und die Leute haben sich woanders hingesetzt, weil sie Angst hatten, Verrücktsein sei ansteckend?« Colin musste grinsen. »Ich glaube, ich mache einen Song darüber.«
»Echt?«
»Ich widme ihn dir«, sagte Colin. »Oder deiner Mama, wenn du willst. Nein, warte!«
»Was?«
»Wir machen ein Duett draus.«
»Was?« Blondy keuchte. »Du bist wirklich wahnsinnig.«
»Du willst dich doch im Bühnenlicht sonnen, oder? Warum dann nicht auf der Bühne? Keine Sorge, du musst nicht singen. Und mit etwas Glück zahlt dir Lars-Peter sogar eine symbolische Gage.«
Blondy stach Colin den Zeigefinger in die Seite, sodass der zusammenzuckte.
»Im Ernst! Ich versuche, ein Gespräch mit dir anzufangen, und du hältst mich für verrückt und fliehst vor mir quer über die Bühne. Und bittest die anderen Leute – die Zuschauer –, dass sie dich vor diesem Verrückten beschützen!«
»Ich wette, das täten die gerne.« Blondy setzte sich seitlich in den Sitz, um Colin in die Augen sehen zu können. »Warum freust du dich nicht, dass du deinen Stiefvater siehst?«
»Um dir diese Liste anzuhören, brauchst du eine Menge Geduld.«
»Fang einfach an. Wenn ich nicht mehr mitkomme, mache ich mir Notizen.«
Colin holte Luft. »Er hat meine Mutter im Grunde gekauft.«
»Das geht doch gar nicht.«
»In
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