SchrottT (German Edition)
einer verrückten Welt geht es«, sagte Colin gepresst. »Herr Länglich, seines Zeichens eifriger Geschäftspartner der Cosa Nostra Deutschland GmbH – das bH steht für beschränkte Haftung, findest du das auch witzig? –, brauchte eine schmucke Ehefrau. Es ist sehr wichtig unten bei uns, eine Familie zu haben, weißt du? Also hat er sich eine Frau gesucht. Gefunden hat er meine Mutter, die einfach pleite war. Kurz vor dem Abrutschen in, du weißt schon …«
»Ins Kellergeschoss der Gesellschaft?«
»Das unterirdische Parkhaus ohne Ausfahrtrampe, genannt Armut«, nickte Colin. »Das andere Ende der Sinnesleiter des Lebens, die oben an Wolken aus Geldscheinen angelehnt ist. Die Fußmatte vor der Tür zum Reichtum.«
Blondy winkte ab. »Metaphern aus deinen Songs, aber du warst bei Punkt eins der Liste.«
»Punkt zwei«, sagte Colin, »Punkt zwei ist die Tatsache, dass Herr Länglich mich nicht etwa fragt, ob ich mich mal mit ihm unterhalten möchte. Stattdessen schickt er Nigerianer in dicken Wagen … Meine Güte, wieso eigentlich Nigerianer? Was macht der Kerl bloß hier in der Gegend?«
»Vielleicht werden wir es gleich von ihm erfahren«, sagte Blondy.
»Punkt drei: Er lässt sich nie in die Karten schauen.«
»Das machst du ihm zum Vorwurf? In der heutigen Zeit?«
Colin presste die Lippen aufeinander. Blondy hatte recht. Immerhin war Dennis Länglich Chef einer Überwachungsfirma. Sicherheitsrelevanter Kram. Es wäre sicher sehr schlecht für ihn gewesen, wenn er Colin genau erklärt hätte, was für Geschäfte er gerade am Laufen hatte. Jedenfalls, solange Colin sich nicht wie ein loyaler Familienangehöriger verhielt. Was er keinesfalls tat.
»Neuer Punkt drei. Er geht über Leichen.«
»Dieser Punkt zählt leicht für zwei«, gestand Blondy zu.
»Er hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass er seine Exfrau hat umbringen lassen. Sie war ihm zu schlau. Das hat er als Warnung für meine Mama sehr genau erklärt. Ohne jede Geheimniskrämerei.«
»Und deine Mama muss jetzt die brave Ehefrau spielen? Das ist ja wie im Mittelalter.« Blondys Blick verdüsterte sich.
Colin sah aus dem Fenster. Der Verkehr wurde dichter. Donnerstagnachmittag, kein Feierabend für den Schwerlastverkehr, der den langsamen Bandbus lautstark überholte.
»Ich wüsste wirklich gerne, was er mit den Nigerianern zu schaffen hat …«
Lars-Peter setzte den Blinker. Der Bus verließ die Autobahn und fuhr zwischen den schwarzen Limousinen bergan Richtung Hohensyburg.
Länglich wartete neben der Kirche St. Peter. Er trug trotz der Sommerwärme einen schwarzen Anzug samt roter Krawatte mit Nadel. »Hallo, mein Sohn«, grüßte er und küsste Colin. »Und wer ist das?«
»Meine Freundin«, sagte Colin. »Sie wollte gerne meinen Vater kennenlernen. Ihr Name ist …«
»April«, fiel Blondy ihm ins Wort und streckte die Hand aus.
Länglich ignorierte sie. Er sah nach links und rechts, drehte sich leicht, als horche er in sich hinein. »Bemerkenswert«, sagte er dann. »Diese Person stört das lokale Orgonfeld derart nachdrücklich, dass ich mich frage, welche Mittel sie dir verabreicht hat, um dich gefügig zu machen.«
»Ich …« Colin blieb die Spucke weg, weil er nicht verstand, wovon sein Stiefvater redete. Freundlich klang es jedenfalls nicht.
»Das weibliche Geschlecht erzeugt besonders disharmonische Störfelder«, dozierte Länglich. »Mit Subjekten, die diesen Effekt durch psychoaktive Obstruktion willentlich verstärken, sollte man nicht verkehren, Sohn.«
Blondy nahm die Hand runter. »Ich gehe besser.«
»Ich glaube …«, begann Colin, kam aber nicht weiter.
»War nett, Sie kennengelernt zu haben, Herr Länglich«, sagte Blondy und machte sage und schreibe einen Knicks. »Ich bin dann im Tourbus und widme mich meiner Störstrahlung.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und marschierte davon.
Colin starrte Länglich an. Kurz wurde er abgelenkt, weil hinter seinem Stiefvater ein Außerirdischer auf einem Grabstein zu sitzen schien. Vielleicht war er aus einem der Nigerianer geschlüpft.
»Gehen wir ein Stück«, sagte Länglich.
»Über den Friedhof«, murmelte Colin. »Was sonst?«
Länglich ließ sich davon nicht beeindrucken. »Wusstest du, dass unter dieser Kirche Überreste einer viel älteren Kultstätte gefunden wurden? Aus dem Frühmittelalter? Vermutlich nicht einmal christlich. Eine Art heidnischer Tempel vielleicht. Weißt du, warum die Kirche an derselben Stelle steht?«
»Damit die Leute
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