SchrottT (German Edition)
erzählt, was sein Stiefvater ihm vorgeschlagen hatte – vielleicht keine gute Idee. Oder er hatte es nicht gut genug erklärt. Also wiederholte er sich, obwohl er das hasste: »Ich hab dir doch gesagt, dass er mir gedroht hat. Wenn ich nicht tue, was er sagt, muss meine Ma ma es ausbaden.«
»Ma ma! Oh, diese italienische Betonung! Als Nächstes sagst du Signorina zu mir!«
»Besser als Flittchen .«
Blondy bohrte Colin den Fingernagel zwischen die Rippen. »Du glaubst mir immer noch nicht.«
»Sag mir, was ich glauben soll und was nicht.« Langsam setzte sich Colin auf die unterste Stufe der Treppe zum Denkmal. »Du redest ja nur an mir vorbei.«
Blondy verschränkte die Arme vor der Brust. Dann pustete sie sich eine imaginäre Haarsträhne aus der Stirn. »Deinem Stiefvater solltest du jedenfalls kein Wort glauben.«
Colin hob verzweifelt die Hände, ließ sie fallen. »Du machst es schon wieder!«
»Lassen wir mal außen vor, dass der Kerl ein Mafioso mit Beziehungen zur Nigeria-Connection ist, was eigentlich schon alles sagt. Lassen wir außerdem außen vor, was du mir erzählt hast, dass er deine Mutter nämlich wie ein Objekt behandelt. Nimm nur mal seinen offensichtlichen Glauben an übernatürliche Kräfte. Orgonfelder! So was gibt es doch gar nicht!«
Colin wusste nicht, was das mit seiner Verabredung mit einer afrikanischen Inspirationsquelle zu tun hatte. »Das weißt du doch gar nicht«, sagte er nur.
»Doch«, widersprach Blondy. »Das ist parawissenschaftlicher Quatsch. Es gibt keine Orgonfelder. Also kann ich auch keines stören.«
»Wie willst du das beweisen?«
Blondy rollte mit den Augen. »Das ist es ja gerade! Dieser pseudowissenschaftliche Unfug, die ganze Esoterik, Aberglaube, Astrologie, Internet-Fabelwesen, Homöopathie … das alles entzieht sich der Widerlegbarkeit, denn es gibt keinerlei wissenschaftliche Beweise für die Existenz all dieses Unfugs! Ganz im Gegenteil: Jeder Versuch, dergleichen zu beweisen, war ein grandioser Fehlschlag!«
»Aber die Leute glauben daran«, sagte Colin. »Deshalb muss man es ernst nehmen. Genau wie Gott. Für den gibt es auch keinen Beweis. Man kann aber nicht sagen, dass er keinen Einfluss auf die Weltgeschichte hätte.«
»Das ist es ja gerade«, sagte Blondy. Sie seufzte und setzte sich neben Colin. »Selbst ernannte Experten leiten aus diesen Hirngespinsten ab, was sie wollen. Dass Rothaarige verbrannt werden müssen, dass Hochpotenz-Globuli Krankheiten heilen, dass ein bestimmtes Mädchen ein Orgonfeld beeinträchtigt. Und die Schäfchen glauben es.«
»Mäh«, machte Colin und merkte im gleichen Moment, wie albern das war.
»Das ist alles Fassade. Esoteriker bauen eine Scheinwelt, wie sie ihnen in den Kram passt, und begründen alles mit einer beliebigen, notfalls selbst erfundenen Pseudowissenschaft. Sie nutzen die Dummheit der Leute aus, um ihnen ihre Überzeugung unterzuschieben. Und die Leute halten das dann auch noch für ihre eigene Überzeugung.«
»Wir müssen langsam mal weiterfahren«, sagte Colin leise.
»Soll das heißen, dass du dich lieber nicht mit dem auseinandersetzen möchtest, was ich gerade versucht habe zu erklären?« Frust tropfte aus Blondys Stimme und vereinigte sich am Boden mit dem roten Glibber zu einer stinkenden Soße.
Colin verzog die Nase. »Du hast immer noch nichts zum Thema Spanisch gesagt. Und ich glaube auch nicht, dass du das noch tun wirst, egal wie lange wir hier sitzen.«
»Ich kann dir nicht beweisen, dass nichts passiert ist«, sagte Blondy. »Genauso wenig wie ich beweisen kann, dass es keine Orgonfelder gibt.«
»Das ist doch mal ne Aussage«, meinte Colin distanziert.
Blondy stand auf. »Aber ich kann dir – notfalls mithilfe eines Instituts für Lebensmittelchemie – beweisen, dass es sich bei dem von Spanisch genannten Fleck auf dem Bussitz, der zwar tatsächlich von mir verschuldet wurde, lediglich um Joghurt handelt. Aber es ist nichts anderes als Joghurt.« Sie hielt Colin die Hand hin. »So, jetzt hast du was, das du glauben kannst oder nicht. Und wenn du dich entschieden hast, sag Bescheid, dann prüfen wir nach, ob du recht hast oder nicht.«
Colin sah zu Blondy hoch. Hinter ihrem Kopf braute sich ein Gewitter zusammen, und ein plötzlicher Luftzug wehte ein paar vereinsamte Blätter über die Aussichtsplattform. Vielleicht lag es an den dunklen Wolken, denn im Vergleich sah Blondys Gesicht plötzlich sehr sanft aus. Colin sah, dass sie ihm nicht übelnahm, dass er ihr
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