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Schüchternheit der Pflaume

Schüchternheit der Pflaume

Titel: Schüchternheit der Pflaume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Kanzler
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geträumt, sagst du. Ich koste die Neuigkeit mit halb geschlossenen Augen, den Blick tief in der Teetasse. Sie sei nicht glücklich darüber, dass du mich weiter sehen wollest, sagst du. Ich koste den Tee. Der Bitterkeit haftet eine pflaumige Süße an.
    »Du warst nie glücklich über Blaum«, sage ich.
    »Ja«, sagst du.
    Du hast in deiner Tasse gerührt, zuckershalber, für einen Moment steht der Löffel still. Deine Augenbrauen ziehen sich zusammen wie dunkle Wolken.
    »Blaum ist in meinen Augen ein aufgeblasener Schaumbeutel«, sagst du schließlich. »Aber das geht mich nichts an.«
    Ich frage dich nach Damla. Die dunklen Wolken brauchen vier oder fünf Sekunden, um sich wieder aufzulösen. Ob ich das wirklich wissen wolle, fragst du. Ich nicke. Du beginnst dein Kinn zu kratzen. Dein Ziegenbart sträubt sich in alle Richtungen.
    Du wollest Damla studieren, sagst du, sie interessiere dich. Sie rede viel, und für gewöhnlich würde dich das stören, bei ihr jedoch nicht. Im Gegenteil, es gefalle dir, so viel über sie zu erfahren, ohne selbst viel preisgeben zu müssen. Sie sei attraktiv. Und natürlich schmeichle sie dir.
    »In mich verlieben sich nicht so oft irgendwelche Leute, weißt du?«, sagst du mit einem Seitenblick.
    Du überlegst und bürstest weiter gegen den Strich. Sie sei fantasievoll. Sie habe eine Zukunft, habe Pläne, Ideen, Träume.
    »Teilst du die denn?«, will ich wissen.
    »Die Träume? Na ja, nicht alle. Aber sie kann so begeistert sein …« Um deine Lippen spielt ein Lächeln. »Ich sehe Damla gern beim Leben zu.«
    »Sie wird irgendwann wollen, dass du nicht nur zuschaust«, sage ich.
    »Ja. Sie hatte sich das anders vorgestellt«, sagst du in deine Tasse hinein. »Ehrlich gesagt weiß ich nicht, warum sie noch da ist. Weißt du, ich glaube, sie mag mich wirklich.«
    »Weiß sie, dass ich heute da bin?«
    »Nicht direkt. Sie will so wenig wissen wie möglich. Sie sagt, sie braucht Zeit für so was.« Du schlägst die Augen nieder. »Manchmal denke ich, es wäre einfacher, wenn wir eine Pause einlegen würden. Du und ich. Ein paar Wochen.«
    »Einfacher? Willst du das?«
    Du zögerst, bevor du weitersprichst. »Nein. Aber ich weiß, dass du ohne mich klarkommst.«
    Eine plötzliche Wutflamme brennt sich durch meine Fassade. Ich will nicht das Püppchen sein, das deiner Lady zuliebe ins Regal gestellt wird. Nicht die verdammte Lückenfüllerschlampe. Spiele ich eine Rolle in deinem Leben oder nicht, so in etwa bricht es aus mir heraus. Erst als ich höre, wie sehr meine Worte nach einem Ultimatum klingen, verstumme ich. Ich halte meine Hand vor dein Gesicht, als könne das deine Worte ein paar Sekunden länger abwehren.
    »Okay, halt«, murmle ich zwischen den Zähnen. Das Feuer frisst knisternd vor sich hin. Ich bin ein nutzloser, atmender Pappaufsteller, bald bin ich ganz weggebrannt. »Warte, du idiotischer Feigling«, ist alles, was ich herausbringe.
    Du beginnst, mich mit Blicken am Hintergrund festzunageln. Ich muss mich beherrschen. Dein Gesicht ist in Ohrfeigenweite. Ich sammle hastig ein paar Worte zusammen.
    »Okay«, beginne ich, »okay. Ich halte mich fern, wenn es sein muss. Eine Weile, bis sie weiß, was sie will. Ich will dir nichts verderben.«
    Na also. Ich habe die Worte herausgewürgt. Wahrscheinlich klangen sie unglaubwürdig. Auf meinem Teerest breitet sich ein kreisförmiges Zittern aus. Ich darf nicht schreien. Laut und unkontrolliert schreien. Einfach so. Ich denke an Damla, und das wenige, was ich über sie weiß, formt eine stabile Einheit, eine Einheit mit Klimperwimpern, Saubergeruch und Lipglosslippen. Sie wird glauben, gewonnen zu haben, dich mit ihrer kompromisslosen Hingabe gewonnen zu haben. Ich stelle mir ihr rundes Glücksgesicht vor.
    Du lässt mich nicht aus den Augen. Du bist jede Sekunde bereit für meinen Ausbruch. Du siehst, dass die Muskeln deiner roten Stute heftiger zu spielen begonnen haben, sie tänzelt, ihre Ohren zucken. Du weißt, in diesem Zustand rennt sie blindlings in Stacheldrahtzäune und Abgründe, wenn du nicht aufpasst.
    Ich forsche durch die Feinheiten deines Gesichts. Nein, sagt eine entschiedene Stimme in mir. Nein. Damla wird es mit dir nicht leicht haben. Sie wird wieder fassungslos aufspringen. Sie wird wieder heulen. So einfach ist das nicht. So schnell biegt dich keine um.
    Ich lasse mich auf den Rücken fallen und starre an die Decke. Die rote Stute trabt davon.
    »Danke«, sagst du nach einer Weile matt in die Stille

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