Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
geöffnet, und über mir brach eine Flutwelle der Furcht zusammen, die Maras in jedem anderen erzeugten, wenn sie diesen natürlichen Mechanismus nicht unterdrückten. „Ja, deine Version der Wahrheit“, sagte ich und trat unfreiwillig einen Schritt zurück. „Und die ist genauso viel wert wie die Versprechen eines Politikers.“
„Schön, wie wäre es dann mit ein paar Wahrheiten, auf die du Gift nehmen kannst?“ Sie machte einen Schritt auf mich zu, und ich wich abermals zurück. „Nash gehört zu mir. Und er hat schon lange angefangen, sich von dir zu lösen.“
„Reines Wunschdenken. Das ist so erbärmlich“, entgegnete ich schnippisch, die Worte mühsam herauspressend, weil ich dank der Angstgefühle, mit denen sie mich immer noch bombardierte, kaum noch atmen konnte. „Genauso wie du! Was ist los, wirst du mit einer kleinen Bean Sidhe nicht fertig, ohne gleich Freddy Krueger zu beschwören?“
Sabine zog die Augenbrauen über ihren wütenden schwarzen Augen hoch, in denen die Pupillen fast nicht mehr zu erkennen waren. Dann schloss sie die Lider kurz, und eine Sekunde später war die Dunkelheit, die mich eingehüllt hatte, verschwunden.
„Besser?“, fragte sie hämisch. Sie hatte die Finsternis wieder in sich selbst zurückgesogen, was allerdings bedeutete, dass sich das Level negativer Energie in ihrem Inneren gerade verdoppelt hatte. Sabine war wie ein tollwütiger Hund an der Kette, und wenn ich sie weiter provozierte, würde sie sich losreißen und sich dieses Mal vielleicht nicht mehr kontrollieren können. „Ich kann dich auch mit Samthandschuhen anfassen, wenn das alles ist, was du verträgst, aber das ändert nichts an den Tatsachen.“ Sie machte wieder einen Schritt auf mich zu, und als ich zurückwich, stieß ich mit dem Rücken an den Tisch hinter mir. „Wenn wirklich alles nur Wunschdenken von mir ist, wie kommt es dann, dass er seine Erinnerungen an dich verscherbelt hat, eine nach der anderen?“
„Er hatte keine andere Wahl …“ Ich straffte die Schultern.
„Quatsch, man hat immer eine Wahl. Die Wahrheit ist, er hat sich entscheiden müssen, und du bist das, was für ihn der geringste Verlust war.“
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf.
„Nein? Und wieso kann er sich nicht mehr daran erinnern, wie es sich anfühlte, als ihr euch das erste Mal geküsst habt, aber an jede Sekunde, die er und ich zusammen verbracht haben? Ich bin noch immer da oben.“ Sie tippte sich an die Schläfe. „Und hier drin“, fügte sie hinzu, wobei sie sich die eine Hand auf ihr Herz legte. Und mein eigenes bekam einen weiteren Riss. „Und ich habe gewisse andere Bereiche erforscht, wo du dich aus lauter Angst nicht hingetraut hast, als du noch die Chance hattest. Und jetzt ist es zu spät.“
Ich konnte nicht atmen, und dieses Mal hatte das nichts mit irgendwelchen Schrecken zu tun, die aus ihrer verdorbenen,schwarzen Seele trieften. Sondern, weil sie recht hatte. Er hatte mich aufgegeben, aber sie nicht.
Warum sonst sollte er das getan haben, wenn nicht aus dem Grund, dass sie ihm wichtiger war als ich?
Sabine hob erneut die Augenbrauen, und sie schaute mir direkt in die Augen. „Was fühlt er, wenn er an dich und eure Vergangenheit denkt, Kaylee? Du solltest ihn mal fragen. Oder ich kann es dir auch einfach sagen. Er fühlt gar nichts. Du bist nichts als ein tauber Fleck in seinem Herzen, und alles, was er in deiner Gegenwart empfindet, sind Schmerz und Schuldgefühle. Du bringst ihn um, und wofür? Damit du dich an etwas klammern kannst, das ihm nicht genug bedeutet hat, um es zu behalten. Du solltest ihn endlich gehen lassen, damit er Frieden finden kann.“
Und da erwachte meine Wut zu neuem Leben und fegte mein Selbstmitleid fort. „Ich weiß nicht, wie ich dir das noch begreiflich machen soll. Nash will dich nicht. Nicht so, wie du ihn willst. Und mich aus dem Weg zu räumen, ändert daran auch nichts, denn es liegt nicht an mir, sondern an dir.“ Ich richtete mich gerader auf. „Du bist besessen von ihm. Und nicht mal von dem echten Nash. Du liebst die Erinnerung an jemanden, den du früher gekannt hast, aber ihr seid beide nicht mehr so wie früher. Du willst einfach nicht akzeptieren, dass er über dich hinweg ist. Dass du mich nicht einfach nur zur Seite zu schubsen brauchst, und dann erinnert er sich wieder daran, wie es zwischen euch war. Aber du hast es selbst gesagt – er hat die Erinnerungen an mich aufgegeben, an dich nicht. Er weiß noch genau, wie es war, dich
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