Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
einzelnen Toilettenkabinen zu spähen. In der Menschenwelt hing an der zweiten ganz hinten links außen ein Schild mit der Aufschrift „Defekt“. Das hieß, sie war auf der anderen Seite wahrscheinlich leer, was bedeutete, niemand würde mich dort drin wie aus dem Nichts auftauchen sehen. Auf dieser Seite stand die Tür der Kabine offen, also ging ich hinein und stellte mich auf die schmale Toilettenschüssel, um zu verhindern, dass man von draußen meine Füße sah. Die Handflächen drückte ich an die Wände, sodass ich Halt hatte.
Dann atmete ich tief ein, schloss die Augen und konzentrierte mich auf meine Erinnerungen an den Tod, um den Bean-Sidhe-Schrei auszulösen, der mich hinüberkatapultieren sollte.
Ich dachte an Doug, wie er die Klammer von Nashs leuchtend rotem Ballon zog. Er hatte bereits eingeatmet, als ich auf ihn zurannte, und es war zu spät: Diese eine Dosis hatte ihn sein Leben gekostet. Doug rollte mit den Augen und fiel zu Boden. Der Ballon glitt ihm aus der Hand, und ich war beinahe an dem Schrei erstickt, der sich mit aller Macht einen Weg durch meine Kehle bahnen wollte.
Und mit dieser Erinnerung kam auch das Wehklagen zurück, so real und schmerzhaft, wie es beim ersten Mal gewesen war. Mein Hals brannte, als hätte ich Feuer geschluckt. Ich hielt die Kiefer fest aufeinandergepresst und ließ nur einen dünnen Laut heraus, in der Hoffnung, es würde reichen.
Dann kam der Nebel, der sich um den Sockel der schmutzigen Toilettenschüssel herum und über meine Knöchel legte. Ich gab dem drängenden Bedürfnis, den Mund zu öffnen und für Dougs Seele zu singen, nicht nach. Im wahren Leben hatte ich dieser Seele nicht helfen können. Doch nun, in meiner Erinnerung, half sie mir.
Als ich das Rauschen von Wasser hörte, sah ich nach unten, wo ich die Toilette sauber und strahlend weiß vorfand. Erst dann begann ich, den Faden des Schreis wieder aufzuwickeln wie ein Wollknäuel. Ein ziemlich dorniges, glühend heißes Wollknäuel.
„Was war das?“, hörte ich eine Mädchenstimme draußen vor der Kabine sagen. Mein Versteck war leer, wie ich gehofft hatte, doch der Waschraum selbst war es nicht. Entweder schwänzte da jemand eine Stunde, oder ich war mitten in der Pause gesprungen.
„Hast du das auch gehört?“, fragte eine zweite Stimme.
Ich überlegte, mich einfach so lange versteckt zu halten, bis sie weg waren, aber ich musste Sabine und Nash finden, und zwar so schnell wie möglich.
Mich gegen die bevorstehende Peinlichkeit wappnend, hüpfte ich von der Kloschüssel und entriegelte von innen dieKabinentür. Als ich herauskam, drehten sich alle vier Mädchen, die vor dem Spiegel standen, fast gleichzeitig um und starrten mich an.
„Kannst du nicht lesen?“
„Krass. Voll die Transuse.“
„Das ist Sophie Cavanaughs Schwester.“
„Cousine“, korrigierte ich sie, während ich gespielt unbeeindruckt aus dem Raum und in den Flur hinausmarschierte.
Ich lief die Gänge entlang, Schülern und Lehrern ausweichend, die mir entgegenkamen, und suchte zwischen all den Gesichtern die von Nash und Sabine.
Wen ich stattdessen fand, war Todd. Ihn hätte ich am wenigsten erwartet. Nachdem ich erfolglos in das Klassenzimmer gelinst hatte, wo Sabine ihre sechste Stunde hatte, ging ich als Nächstes in den Mädchenwaschraum im ersten Stock, in der Hoffnung, sie vielleicht dort anzutreffen. Ich hatte drei der vier Kabinen abgesucht – alle leer –, als Todd plötzlich vor der Tür der vierten erschien.
Ich stieß ein für meine Verhältnisse sehr menschliches Kreischen aus und taumelte erschrocken rückwärts. „Spinnst du? Wenn dich jemand sieht!“
Todd steckte den Kopf durch die geschlossene Tür der letzten Kabine, dann zog er ihn wieder heraus und zuckte mit den Schultern. „Kein Problem, die Luft ist rein.“
„Wer weiß, für wie lange. Was tust du hier?“
„Nash hat mich angerufen.“
Hatte er? Emma musste ihm erzählt haben, dass ich aus der Französischstunde verschwunden war.
„Aha. Tja, also, danke, aber ich bin sehr wohl in der Lage, mich für ein paar Minuten allein in der Unterwelt zurechtzufinden.“ Dass ich beinahe einem Wald menschenfressender Pflanzen oder einer Horde hungriger Monster-Sprösslinge zum Opfer gefallen wäre, musste ich ja nicht erzählen … „Dukannst also deine glänzende Rüstung nehmen und sie woanders polieren.“
Möglicherweise fiel meine Reaktion auf ihn so ruppig aus, weil ich noch immer sauer auf ihn war. Schließlich hatte er
Weitere Kostenlose Bücher