Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
auf meinem Rücken zu ignorieren. Die nächsten Türen, an denen ich vorbeikam, waren geschlossen, und die Räume dahinter vermutlich leer. Dennoch wollte ich nicht riskieren, von dort aus zu springen und mitten in einer fremden Klasse zu landen. Dann hätte ich auch im Französischraum bleiben können.
Ich war ungefähr noch zehn Meter von der T-förmigen Abzweigung entfernt, in die sich der Flur teilte, als ich ein Geräusch hörte. Es klang, als würde eine Katze über den Boden schlittern und die Krallen Halt suchend in den Untergrund schlagen, begleitet von einer hohen, fremdartigen Stimme.
Auf Zehenspitzen schlich ich mich zu der Tür, von wo aus die Geräusche zu kommen schienen. Sie stand einen Spaltbreit offen. Je näher ich kam, desto lauter wurde das Scharren und Kratzen, und als ich nur noch eine Armlänge weit davon entfernt war, schloss sich ein Chor aus schrillen, jüngeren Stimmen der ersten an.
Ich nahm einen tiefen, lautlosen Atemzug und linste dann um den in Ranken gehüllten Türrahmen herum in den Klassenraum.
Zuerst konnte ich nicht wirklich deuten, was ich da sah. Es war ein einziges Gewusel aus Armen und Beinen, aschgrau, aber kurz und fleischig, wie die eines Kleinkindes. Unzählige runde, glatte Köpfe, auf denen flaumartige gelbliche Härchen sprossen. Lilafarbene Augenpaare, offene Münder mit spitzen, dünnen Zähnen, die nach etwas schnappten und gierig jammerten.
Und inmitten dieser Unterwelt-Monster-Kinderschar stand ein erwachsenes Wesen mit dunklerer Hautfarbe. Es hielt einen einfachen Pappkarton über die Köpfe der geifernden Kinder, die daraufhin sofort still wurden und erwartungsvoll den Karton anstarrten.
Die Kreatur hielt inne, und ihr Lächeln ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Dann kippte sie den Karton aus, und ein halbes Dutzend runde, fleischige Stücke fiel heraus.
Die Luft wurde vom Zischen und Grollen der Kinder erfüllt, die um die blutigen Leckerbissen kämpften, mit ihren krallenartigen Händen hastig danach griffen, bevor ein anderer ihnen die Nascherei wegschnappte.
Das erwachsene Wesen beobachtete das Spektakel, und ein zufriedenes, stolzes Lächeln verzerrte sein Gesicht zu einer grauenvollen Fratze.
Schaudernd schlich ich mich geduckt an der Tür vorbei und wagte erst, den Atem herauszulassen, den ich angehalten hatte, als sich auch mehrere Meter weiter noch immer nichts auf mich stürzte und seine Zähne in mein Fleisch schlug. Ich hielt kurz an, um mich zu sammeln, dann ging ich weiter. Der nächste Abstellraum lag direkt hinter der Ecke bei den Waschräumen. Das musste doch zu schaffen sein.
Doch ich war erst wenige Schritte gegangen, als eine kalte, gebieterische Stimme mich erstarren ließ.
Avari. Genau hinter der Ecke, wo ich hinwollte.
Mistmistmist! Was machten die auf einmal alle hier? Noch vor ein paar Wochen war die Schule völlig leer gewesen. Sabines Lebenserwartung hatte sich gerade auf höchstens fünf Minuten verringert, gerechnet von dem Moment, in dem ich wieder in der menschlichen Welt zurück war. Vorausgesetzt, es käme dazu.
Ich rannte den Flur hinunter – auf Avaris Stimme zu – und quetschte mich in eine dunkle Nische im Waschraum. Hier drin waren die Wände erstaunlicherweise frei von Crimson-Creeper-Ranken, aber dafür klebte an ihnen eine zähe, stinkende, sich langsam ausbreitende Flüssigkeit. Ich presste mich so dicht an die Wand wie nur möglich, ohne das Zeug zu berühren, und spähte aus den Schatten, die mich hoffentlich versteckten, in den Flur hinaus.
„… schon ganz nah …“, sagte Avari. „Sobald du deines hast und ich meines, ist dieses Bündnis beendet. Du wirst dich in deine Gefilde zurückziehen, und ein jeder von uns geht wieder seinen Geschäften nach wie bisher.“
„So soll es sein“, stimmte eine zweite Stimme ihm zu, weich und betörend, wie der erste süße Geschmack einer in Schokolade getauchten Chilischote, bevor ihr Feuer dich von innen verbrennt. „Das entzückende Albtraumkindchen gehört mir, und du bekommst deine kleine Bean Sidhe, und wir werden uns für alle Ewigkeit an ihren Qualen erfreuen …“
24. KAPITEL
Sie kamen um die Ecke gebogen, und ich atmete so flach wie nur möglich, um kein Geräusch zu machen und den Gestank dessen, was auch immer da die Wand hinunterrann, nicht riechen zu müssen.
Avari erschien in meinem Sichtfeld, und ich zwang mein Herz, für einige Sekunden aufzuhören zu schlagen. Denn ich befürchtete, dass sogar das leise Pochen – in
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