Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
Verbindung mit der Witterung meiner Angst – mich verraten könnte. Doch er sah nicht einmal in meine Richtung. Offenbar überdeckte die Flut menschlicher Gefühle, die durch den Blizz in meiner Welt hier herüberschwappte, meine Angst.
Noch mal Glück gehabt.
Die Frau bei ihm war kleiner als er und extrem dürr, ihre Hände ein groteskes Gebilde aus knorrigen Gelenken und skelettartigen Fingern, die unter dem Ärmel ihres Samtkleides hervorschauten. Die Wangenknochen stachen scharf in ihrem Gesicht hervor, die Schatten unter ihnen tief und schwarz. Ihre ebenfalls schwarzen, runden Augen reflektierten das schwache grünliche Glühen der spärlichen Beleuchtung, und da sie keine sichtbaren Pupillen hatte, konnte ich nicht sagen, ob sie zu mir sah oder nicht. Aber das Auffälligste an ihr waren die Haare – ein tropfender Fluss einer eklig schwarzen, glänzenden Flüssigkeit, die in einem stetigen Schwall über ihren Rücken floss.
Ich hatte noch nie so etwas gesehen, und ich war mir absolut sicher, dass mir die Flüssigkeit, wenn ich mit ihr in Berührung käme, das Fleisch von den Knochen ätzen würde.
Die beiden Hellions schlenderten langsam weiter, während sie sich unterhielten, und ich lauschte angestrengt.
„Mein wundervoller Albtraum ist reif, gepflückt zu werden – so voll herrlicher Eifersucht“, sagte die Frau, und der Klang ihrer Worte wärmte mich wie die heimelige Wärme einesLagerfeuers. Plötzlich wollte ich ihre Stimme für mich selbst. Warum sollte ein Monster wie sie eine so schöne Stimme haben, ich dagegen ein schrilles Kreischen, vor dem erwachsene Männer die Flucht ergriffen und nach Hause zu ihren Mommys rannten? „Und ich will sie mir jetzt pflücken“, fuhr sie fort, nicht ahnend, wie sehr ich ihr die Stimmbänder rausreißen und darauf herumtrampeln wollte, sie zerstören, wenn ich sie schon nicht haben konnte.
Der Gedanke, dass ich zu einer so brutalen Tat fähig wäre, hätte mich schockieren sollen, aber er tat es nicht. Es fühlte sich … berechtigt an. Warum sollte jemand – irgendjemand – etwas besitzen, das mir verwehrt blieb?
„Deine Ungeduld ist ermüdend, Invidia“, sagte Avari und lenkte mich damit von dem himmelschreienden Unrecht ab, das mich so wütend machte, dass ich am liebsten aus meinem Versteck gesprungen und diese Invidia umgebracht hätte. „Ich habe beide Wirte vorbereitet, aber sie zur exakt selben Zeit in Schlaf zu versetzen, ist ein sehr delikates Unterfangen. Und ein winziger Fehler könnte den ganzen Turm zum Einstürzen bringen.“
„Unsinn.“ Invidia warf das Haar zurück, gerade als sie aus meinem Blickfeld verschwand, und mehrere Ranken zuckten vor den Tropfen zurück, die zischend auf die Fliesen klatschten. „Du hast sie nur für diesen einen Zweck benutzt, und der Fluss jugendlicher Energie wird nicht ewig anhalten. Wir sollten jetzt zuschlagen, solange das Eisen noch heiß ist.“
„Bald, Invidia. Du hast mein Wort. Bald.“
Ich wagte nicht zu atmen, bis ich mir sicher war, dass sie um die nächste Ecke gebogen waren und sich sowohl aus Sicht- als auch Hörweite entfernt hatten. Ich ließ ihre Unterhaltung noch einmal im Kopf Revue passieren. Der „Fluss jugendlicher Energie“, damit war vermutlich die erhöhte Menge menschlicher Lebenskraft gemeint, die dank des Blizz in die Unterweltsickerte. Aber der Rest … ich wurde daraus nicht schlau. Alles, was ich mit Bestimmtheit sagen konnte, war, dass Avari und diese Invidia – offensichtlich ein Hellion wie er – planten, mich und Sabine in ihre Gewalt zu bringen, mit Leib und Seele, und das mithilfe zweier ausgesuchter Wirte. Und uns blieb nicht mehr viel Zeit, das, womit auch immer sie uns angreifen wollten, zu verhindern.
Angesichts des scheinbar recht hohen Verkehrsaufkommens in den Fluren der Unterwelt-Version meiner Schule, beschloss ich, vom Waschraum aus zu springen, anstatt zu versuchen, den Abstellraum zu erreichen, von dem ich ohnehin nicht wusste, ob er in der menschlichen Welt abgeschlossen war oder nicht.
Ich öffnete langsam die Tür, und als ich keine Anzeichen irgendwelcher Unterwelt-Bewohner ausmachen konnte, schlüpfte ich hindurch und ließ sie hinter mir zufallen. Die Reihe Waschbecken sah genauso aus wie die in meiner Welt, bis auf das Becken in der Mitte, aus dessen Hahn anstelle von Wasser eine gelblich-grüne, dickliche Flüssigkeit quoll.
Mein Ekelgefühl unterdrückend, kniete ich mich auf den Boden, um unter die Trennwände zwischen den
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