Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
Sabine um die Ecke gebogen und rief lauthals nach ihm, sodass sich prompt mehrere in Grüppchen zusammenstehende Leute zu ihr umdrehten und sie neugierig anstarrten. Was ihr wohl völlig egal war.
Sabine kannte keine Angst. Vor nichts und niemandem.
„Nash!“ Sie lief den Flur hinunter, ihre nach hinten umgehängte Tasche hüpfte dabei auf und ab, und die tief geschnittene Kaki-Hose, die sie trug, drohte bei jedem ihrer Schritte von den Hüften zu rutschen. Sie blieb dicht vor uns stehen undkramte etwas aus ihrer Hosentasche hervor. Ein Handy. Nashs Handy. „Das hast du bei mir im Auto vergessen. Du solltest wirklich einstellen, dass es sich automatisch verriegelt. So kann ja jeder einfach nach Lust und Laune in deinen privaten Daten rumschnüffeln …“ Anstatt ihm das Telefon zu geben, ging sie noch ein Stück näher an Nash heran, schob es langsam in seine linke Tasche und spielte aufreizend mit den Fingern an der Innenseite herum, bis er schließlich ihr Handgelenk ergriff und sie energisch nach oben zog. Mitten auf dem Flur, vor allen Leuten.
Meine Wangen brannten. Und ich fühlte, wie die Hitze sich langsam in meinem Gesicht ausbreitete.
„Ähm … danke“, sagte Nash.
„Jederzeit gern“, erwiderte sie schnurrend. Dann schien ihr plötzlich aufzufallen, dass ich auch anwesend war. „Hey, Katie, was geht so?“ Sie starrte mich aus diesen tiefschwarzen Augen an, und mein Albtraum von vergangener Nacht flackerte in meinem Gedächtnis auf wie ein greller Blitz. Wieder einmal bekam ich in Sabines Gegenwart eine Gänsehaut, und hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte schwören können, die Leuchtstoffröhre an der Decke flackerte nur deshalb, damit Sabine noch hohläugiger und finsterer aussah.
Ich benötigte all meine Willenskraft, um ein Schaudern zu unterdrücken. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Warum merkte Nash das nicht? In Sabines Augen zu sehen, war, als würde man mit dem Kopf in der Gefriertruhe feststecken und einem bei jedem Atemzug die Lunge ein wenig mehr einfrieren, bis man erstickte.
„Ich heiße Kaylee“, brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während ich insgeheim nur eins wollte: mir eine Ausrede einfallen lassen, warum ich wegmusste, und mich verdrücken. Schnellstens. „Und wir haben uns gerade unterhalten.“
„Ach, ehrlich?“ Sie drehte sich grinsend zu Nash um, als hätte ich gerade etwas unglaublich Amüsantes gesagt, und ich fühlte mich erbärmlich, weil ich erleichtert war, nicht länger im Fokus ihrer Aufmerksamkeit zu stehen. „Dann komme ich ja genau richtig. Worüber unterhalten wir uns denn?“
„Das ist eine Privatangelegenheit“, sagte ich, während ich beide Hände fest in meinen Rucksackgurt krallte.
„Oh. Apropos privat, ich habe gestern Nacht wirklich ganz wunderbar geschlafen, das erste Mal seit einer Ewigkeit. Schätze, es war wohl nichts weiter nötig als totale Erschöpfung , dann schläft man wie ein Stein, nicht wahr?“ Sie zog vielsagend eine Augenbraue nach oben, und ich kämpfte gegen ein weiteres Schaudern, das in mir aufsteigen wollte. Wieder zu Nash gewandt sagte sie: „Nur gut, dass deine Mom im Moment nachts arbeitet.“
Der Boden unter meinen Füßen schwankte, und mir blieb die Luft weg, als hätte mir jemand mit voller Wucht in die Magengrube getreten.
„Kaylee …“ Nash machte Anstalten, mich am Arm zu nehmen, doch ich schubste ihn weg und taumelte rückwärts gegen die Spinde. Als ich endlich wieder einigermaßen ruhig atmen konnte, blickte ich ihm direkt in die Augen und forderte ihn wortlos dazu auf, mich die Wahrheit darin sehen zu lassen.
„Du warst die ganze Nacht mit ihr zusammen?“
„Und den ganzen Morgen“, setzte Sabine wie beiläufig noch einen drauf, als hätte sie gar nicht bemerkt, dass ich sie auch ohne diesen Kommentar hätte an die Wand klatschen können. Aber sie wusste genau, was sie tat. Das verriet mir die Art, wie sie auf meine Reaktion lauerte, und zwar nur auf meine, die von Nash schien für sie total nebensächlich zu sein. Sie taxierte mich, beobachtete jede meiner Bewegungen. Versuchte abzuschätzen, wie gefährlich ich ihr im Kampf um Nash werden konnte. Und tief im Inneren erkannte ich allmählich, dass ichdarüber eigentlich hätte froh sein sollen. Sie betrachtete mich als ernst zu nehmende Konkurrenz.
Doch diese tiefer liegende Erkenntnis wurde von meiner aufsteigenden Wut überlagert. Heiße Wellen glühenden Zorns wechselten sich mit den eisigen Schauern ab,
Weitere Kostenlose Bücher