Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
die mich jedes Mal durchfuhren, wenn ich Sabine ansah, bis ich das Gefühl hatte, halb geröstet und halb gefroren zu sein – und komplett durcheinander.
„Wir hatten eine Menge nachzuholen“, erklärte sie, während Nash wortlos danebenstand und unbewusst mit den Zähnen knirschte. „Ich meine, wir haben uns so lange nicht gesehen. Du weißt bestimmt, wie das ist. Das stört dich doch nicht etwa, oder? Ich dachte, du und Nash seid getrennt, jedenfalls hat er das gesagt …“
„Sabine“, fand Nash endlich seine Sprache wieder, „wir sehen uns beim Lunch, okay? Aber jetzt möchte ich noch in Ruhe mit Kaylee reden, bevor die Stunde anfängt.“
Sie nickte gleichgültig und verzog den Mund zu einem bezaubernden Lächeln. Ein liebes, kleines Unschuldslamm. Oder aber eins, das sehr zufrieden mit sich und dem Ausgang dieser Runde war. „Ich muss sowieso los zu meinem Kurs. Ich probiere gerade dieses Pünktlichkeits-Ding aus. Der Vertrauenslehrer meint, bei mir ist die Wurzel allen Übels aufgestaute Wut, und deshalb kann ich mich nicht an Regeln halten.“ Sie zwinkerte Nash zu – zwinkerte ihm allen Ernstes zu! –, dann drehte sie sich plötzlich zu mir und beäugte skeptisch meine Wange, als wäre mir da aus heiterem Himmel eine Warze oder irgendwas anderes gewachsen. „Halt still, Kay …“ Mein Puls schoss, angesichts der Frechheit, mit der sie ungefragt meinen Spitznamen benutzte, um mindestens das Doppelte in die Höhe. „Du hast da eine Wimper …“
Sabine streckte die Hand aus und strich mit dem Daumen über meine Haut, bewusst sanft und langsam, doch nicht füreine Sekunde ihren unheimlichen Blick von meinem lösend. Im Gegenteil, er wurde sogar noch stechender, bohrender und ich hatte das Gefühl, dass sie versuchte, durch meine Augen direkt bis in die hinterste Ecke meines Schädels zu schauen.
Ich wollte den Kopf wegdrehen, konnte es aber nicht. Stattdessen stand ich stocksteif da und starrte wie hypnotisiert zurück, während die Zeit stehen zu bleiben schien und sich eine Minute endlos dahinzog und anfühlte wie eine Stunde.
Und für einen Moment, für einen flüchtigen Augenblick, wurden ihre Augen mit einem Mal noch dunkler. Plötzlich spürte ich wieder diese schreckliche Mischung aus Demütigung, Entrüstung und Schmerz, die ich aus meinem Traum kannte, und mein Herz schien sich regelrecht zu verkrampfen.
„Sabine …“, flüsterte Nash, in dem warnenden Tonfall, den er sonst nur für Todd reserviert hatte.
Sie blinzelte kurz, dann war das unschuldige Lächeln wieder da. „Warte. Hab sie.“ So schnell, wie sie mit ihrem Finger in meinem Gesicht war und ihn gleich darauf wieder zurückzog, hatte ich keine Chance, die angebliche Wimper zu sehen. „Bis nachher, Kay …“, sagte sie lässig, rückte ihre Tasche zurecht und schlenderte den Flur hinunter, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen.
Nash und ich wechselten einen ratlosen Blick. Der bittere Nachgeschmack dieser surrealen Szene, in der seine Exfreundin mich ungefragt angetatscht hatte, blockierte jeden anderen Gedanken, mein Hirn war völlig leer, wie in einem Schockzustand. „Was zur Hölle war das denn?“
Nash seufzte. „Sie ist … Kaylee, Sabine hat es echt schwer gehabt. Sie kann sich nicht an ihre richtigen Eltern erinnern, wurde durch mehr als ein Dutzend Pflegefamilien gereicht wie ein Wanderpokal, was es ihr nicht gerade leichter gemacht hat, Freunde zu finden, also …“
„Vielleicht lag das eher daran, dass sie ein gestörtes Miststückist!“, unterbrach ich ihn aufbrausend, woraufhin er mich mit großen Augen anschaute. Mein vernichtendes Blitzurteil überraschte ihn beinahe so sehr wie mich selbst. Normalerweise dauerte es viel länger, bevor ich mir hundertprozentig sicher war, jemanden wirklich nicht leiden zu können. Aber Sabine hatte eindeutig einen Weg gefunden, den Prozess erheblich zu beschleunigen.
„Sie hat ihre Ecken und Kanten, ja, ich weiß. Aber sie kann nichts dafür.“
„Schon gut. Ich weiß über ihre herzzerreißende Story Bescheid. Von Todd“, trumpfte ich mit meinem Wissensvorsprung auf. „Außerdem meinte er übrigens noch, dass sie eine verurteilte Kriminelle ist.“
Nash zog die Stirn in Falten und kniff fast unmerklich die Augen zusammen. „Hat er sonst noch irgendwas gesagt?“
„Ja“, bestätigte ich zögernd und sah eine seltsame Panik in ihm aufsteigen. „Dass sie deine erste Liebe war und ihr beide ein Jahr lang oder so praktisch an der Hüfte
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