Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
meinen Blick nervös durch den Flur hasten. Er war noch immer leer, aber die dunkle Unruhe in mir wurde trotzdem immer größer. Jemand würde sterben, ganz in der Nähe. Und zwar sehr bald, gemessen an der Stärke des Schreis, der sich in meiner Kehle bilden wollte.
Mit einer Hand hielt ich mir fest den Mund zu, während ich Nash mit weit aufgerissenen Augen verzweifelt ansah. Sofort erkannte er die Zeichen. Er zog die Augenbrauen zusammen, und darunter begann ein Sturm der Beunruhigung aus grünen und braunen Schleiern loszubrechen. „Wer ist es? Kannst du das fühlen?“
Ich rollte verneinend mit den Augen und gestikulierte mit der freien Hand zum leeren Gang hinter ihm, dabei gleichzeitig versuchend, den kratzenden Schmerz zurückzudrängen, der sich als Vorbote des Schreis in meiner Kehle ausbreitete.
Nash wirbelte herum, und als er nach meinem Arm griff, ließ ich es zu. Wir rannten an einer geschlossenen Tür vorbei, dann der nächsten, wobei wir an jeder kurz innehielten,um durch die Scheibe in den Raum dahinter zu sehen, konnten aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Bis wir zur dritten Tür kamen. Ich linste über Nashs Schulter ins Fenster, und da saß Mrs Bennigan an ihrem Tisch, in sich zusammengesunken, den Kopf auf die Arme gelegt. Sie war allem Anschein nach beim Mittagessen eingeschlafen. Ihr Rücken hob und senkte sich mit jedem Atemzug.
„Sie?“, raunte Nash, doch die Tür wirkte wie eine Mauer, die alles von außen abschirmte, sodass ich es nicht sagen konnte. Also schubste ich sie vorsichtig auf.
Schatten hüllten die schlafende Lehrerin wie einen Kokon aus Finsternis ein, wo nur eine Sekunde vorher nichts zu sehen gewesen war. Eine weitere Panikwelle brach tosend über mir zusammen. Der Schrei hallte in meinem Kopf wider, und ich hatte das Gefühl, mir müsste der Schädel platzen. Ein dünner Tonfaden begann sich zuerst durch meine zusammengepressten Lippen zu schlängeln, dann durch meine Finger darüber. Ich drückte Nashs Hand. Mrs Bennigan würde sterben. Jeden Augenblick. Und es gab nichts, was wir dagegen unternehmen konnten, ohne einen anderen Menschen dazu zu verdammen, ihren Platz einzunehmen. Denn Nash und ich – ein männlicher und ein weiblicher Bean Sidhe – waren gemeinsam zwar in der Lage, die Seele einer Person wieder in ihren Körper zurückzuführen, aber um ein Leben zu retten, mussten wir ein anderes dafür auslöschen.
„Komm.“ Nash lief den Flur hinunter, und ich ließ ihn mich den ganzen Weg bis zum Parkplatz hinter sich herziehen, eine Hand noch immer auf den Mund gepresst. Der Druck, schreien zu müssen, ließ mit jedem Schritt ein wenig nach, aber selbst mit der geschlossenen Tür hinter uns, die alles im Inneren der Schule zurückhielt – so schnell ließ sich der unterdrückte Schrei nicht abschütteln, sondern vibrierte weiter in meinem Mund.
„Geht’s dir gut?“, erkundigte sich Nash, und ich schüttelteden Kopf, dabei so fest die Zähne zusammenbeißend, dass sie wehtaten. Natürlich ging es mir nicht gut. Jemand war im Begriff zu sterben – eine Lehrerin –, und ich konnte nichts dagegen tun, als darauf zu warten, dass ihre Seele von einem Reaper eingesammelt wurde und der Schreianfall damit vorüberging.
„Kann ich … lässt du mich dir helfen?“ Er trat zwischen mich und die Glastür, um meinen Blick auf sich zu lenken, doch ich schüttelte ein zweites Mal mit dem Kopf. Seine Hilfe war an den Gebrauch seiner Banshee-Stimme geknüpft, und das damit verbundene Risiko war mir vorerst noch zu groß. Selbst dann, wenn es mit den besten Absichten geschah.
Davon abgesehen, ich brauchte keine Hilfe. Ich war bis jetzt auch ganz gut allein mit diesem Problem klargekommen.
Aber als er mich schweigend an sich zog und mich in die Arme nahm, wehrte ich ihn nicht ab. Er fühlte sich so gut an. So warm und stark, mein Fels in der Brandung, der es mir leichter machte, den düsteren Zwang zu unterdrücken, der sich mit aller Macht den Weg aus meinem Körper bahnen wollte. Solange er nichts sagte, hatte ich nichts dagegen, von ihm gehalten zu werden. Es war sogar sehr schön. Die Situation erinnerte mich daran, wie es früher gewesen war, und diese Erinnerung milderte ein wenig den Schrecken, der mich beim Gedanken an Mrs Bennigan quälte, die allein in dem leeren Klassenzimmer saß, sterbend. Und niemand außer uns hatte auch nur die geringste Ahnung.
Die Glocke schrillte, während Nash mich noch immer hielt, und das durchdringende Geräusch
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