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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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ein bisschen was Blutigeres für die Sonntagsausgabe suchte. Aber ich wollte noch nicht zurück nach Berlin.«
    »Warum?«
    Viktoria dachte nach. Sie war irritiert. Die Frage hatte sie sich noch nicht gestellt. Eine Antwort wusste sie nicht. War ja auch nur so ein Gefühl, ein ganz vages. Es war ruhiger hier, sie war ruhiger hier. Aber mit vagen Gefühlen wollte sie Kai nicht kommen.
    »Mir gefällt …«, setzte sie an.
    »Ja?«
    »Mir gefällt die Landschaft.«
    »Aha.« Kai lachte.
    Mindestens eine Eins, dachte sie und knuffte ihm in die Seite. »Ja, die Landschaft gefällt mir. Die Dorfdeppen auch, ach ja, und Rosa ist eine tolle Wirtin. Nur eins fehlt mir wirklich.«
    Er lächelte mitleidig. »Und das wäre?«
    »Ein frisch gezapftes Bier. Seitdem ich hier bin, hat es damit noch nicht geklappt. Ständig bin ich umgeben von Männern mit Biergläsern. Warum schaffen die das – und ich nicht?«
    »Ich habe keine Ahnung. Aber ich denke, das Problem kriegen wir in den Griff.« Er blinzelte, klopfte sich den Sand von der Hose und ging Richtung Rosas Bierwagen.
    Sie schaute ihm nach und war gut gelaunt. Es war inzwischen nach drei am Nachmittag, keine Wolke stand am Himmel, Vögel zwitscherten in den höchsten Tonlagen ein wahres Sommerkonzert. Viktoria hatte keine Lust mehr, über Bernhard Lütkehaus nachzudenken. Sie wollte eine Denkpause machen, den Kopf eine Weile abstellen. Okay, ihre Mutter war schon mal in Westbevern gewesen, sie hatte hier einen Studentenjob gehabt, und zufälligerweise hatte Bernhard Lütkehaus sie einmal fotografiert. So what? Sie hatte einen Albtraum und sich in etwas hineingesteigert. Ein Kind kann schon mal etwas durcheinanderbringen. Und ihre Mutter hatte es ja erklären können. Sie waren zusammen hier gewesen, ein paar Tage Ferien. Viktoria konnte wieder klar denken. Hirngespinste und harmlose Zufälle. Gleich würde ein kühles Bier sie erfrischen, und sie würde mit Kai ein wenig über dies und das plaudern. Gute Aussichten, fand Viktoria. Sehr gute Aussichten. An der Vogelstange wurde gelacht, sie schaute zu einem Trupp Männer und sah den Adler ohne Flügel am Boden liegen. Er sieht aus wie ein Brathuhn, dachte Viktoria. Ein totes, zähes Brathuhn. Dann folgte sie Kai.
    Das kleine Zopfmädchen hüpfte vor Viktoria auf und ab und rief: »Hallo!«
    »Hallo.« Viktoria lächelte.
    »Zeigst du mir noch mal, wie du vorhin die Maus gezaubert hast?«
    »Klar.« Viktoria nahm das rosa gepunktete Halstuch, das das Mädchen ihr entgegenstreckte. Schritt für Schritt erklärte sie dem Kind, wie es ging. »So, Klein Püppi, jetzt den Zipfel um den Zipfel wickeln und fertig ist die Mimamausemaus.« Viktoria hatte das nicht gesagt, sie hatte es gehört – wie ein Echo in ihrem Kopf. »Klein Püppi, fertig ist die Mimamausemaus. Mimamausemaus.« Ihre Hand zitterte, als sie dem Mädchen die Taschentuchmaus reichte.
    »Danke! Das werde ich gleich Papa zeigen.«
    Viktoria nickte stumm.
    Sie ging zu Kai, der am Tresen des Getränkewagens auf das Bier wartete. Sie machte mit der Hand ein Telefonzeichen, und er verstand. Ohne ein Wort reichte er ihr sein Handy. Als sie auf der Straße war, tippte sie die Nummer ein. Freizeichen, einmal, zweimal. Klack.
    »Marie Latell, hallo?«

17. Kapitel
     
    Viktorias Stimme war trocken wie Puder. »Mama, hat Bernhard Lütkehaus mir gezeigt, wie man Mäuse zaubert?«
    »Mist!«
    »Mama, hat er?«
    »Tori, es tut mir leid!«
    Viktoria sprach lauter: »Hat er mir beigebracht, wie ich Mäuse zaubere? Verdammt, verarsch mich nicht. Sag es mir!«
    »Ja.«
    »Ja?« Viktorias Stimme zitterte.
    »Tori, jetzt beruhig dich erst mal.«
    »Habe ich ihn hängen sehen?«
    Marie Latell flüsterte: »Tori …«
    »Fuck! Ich habe ihn gesehen. Ich habe ihn hängen sehen. Und du hast nichts gesagt. Nichts!«
    Marie weinte.
    »Hör auf zu flennen! Du verdammte Lügnerin!« Viktoria blieb hart. »Du warst hier. Zum Arbeiten ja und zum Ficken. Du hast ihn rumgekriegt. Und du bist abgehauen.«
    »Ja, aber …«
    »Nichts aber. Du hast ihn verlassen. Und er hat sich umgebracht.«
    »Ja.«
    Viktoria brüllte: »Mehr nicht. Nur ja? Ich war drei Jahre alt. Ich habe einen Toten gesehen, und du hast so getan, als wäre ich bescheuert. Wie dumm von ihm, dass er sich wegen so einer wie dir erhängt hat. Wie dumm!«
    »Er war nicht dumm.«
    Viktoria klappte das Handy zu.
    Marie sprach trotzdem weiter: »Er hat es wegen dir getan. Dich hat er geliebt, nur dich. Dein Vater hat dich so sehr

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