Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
sehr
viele Jahre nicht klar war, dass wir den Nonnen „nur“ Grüße an Maria weiter
geben sollten.
Na, jedenfalls bestand unser Kindergartentag hauptsächlich
aus beten, dem armen Negerlein ein Zehnerle ins Kässchen stecken, damit es brav
mit dem Kopf nickt, basteln und spielen.
Wenn wir nicht so brav oder fromm waren, was sehr häufig
vorkam, mussten wir nach dem Frühstück den Kopf auf den Tisch legen und dann
kamen entweder die Nonnen oder die drei Töchter des ortsansässigen Gipsermeister
und schlugen uns mit einem Stock auf den Kopf. Präventiv, um über unsere Sünden
nachzudenken und Buße zu tun. Meine viel sensiblere Schwester heulte dann ganz
fürchterlich und hatte schreckliche Angst. Da tat sie mir immer sehr leid.
Hab ich erwähnt dass dies im katholischen, kirchlichen
Kindergarten geschah? Schon, gell.
Noch nicht erwähnt habe ich, dass wir Kinder die Töchter des
Gipsermeisters regelmäßig verprügelt haben, sowie sie uns auf der Straße
begegnet sind. Präventiv, damit sie das nächste Mal nicht so feste zuschlagen,
versteht sich.
Einmal fragte ich so eine Nonne, warum sie einen Ehering
trägt, wenn sie doch gar nicht verheiratet ist. Da antwortete sie, dass sie mit
Gott verheiratet sei.
Nach einer Weile, es ließ mir keine Ruhe, fragte ich sie
wieder: „Aber wo habt ihr denn geheiratet, wenn Gott im Himmel ist. Bist du
hoch zu ihm oder ist er zu dir runter?“
Für diese Frage bekam ich eine gescheuert. Warum weiß ich
bis heute nicht. Vergessen hab ich es aber auch nicht. Wundert mich nur, warum
es mir gerade jetzt einfällt.
Ach ja, ich wollte mich mit der Kirche versöhnen und wußte
nicht warum.
Also den Nonnen und dem Herrn Pfarrer kann ich problemlos
verzeihen. Ich kenne die Beweggründe nicht, die sie ihren Weg gehen lassen
haben. Früher hatte man selten die Möglichkeit freie Entscheidungen zu treffen
und wenn ein Bauer zu viele Kinder hatte, gab er eines oder zwei in die Obhut
der Kirche. Will heißen, die mussten in ein Kloster. Das sicherte dem Bauern
seinen Platz im Himmel und er hatte einen Mund weniger zu stopfen. Also ist es
nicht gesagt, dass die Damen und Herren Gottes, nicht vielleicht lieber Familie
gehabt hätten und keinen Gott in ihrem Bett.
Kinder zu verprügeln galt damals als „Züchtigung“ und war
die ganz normale Erziehung. Es gab einfach fast keine Kinder, die nicht
geschlagen wurden und damit war das „normal“. Glücklich waren nur die Kinder,
die nicht mit dem Gürtel oder dem Stock verprügelt wurden, sondern „nur“ mit
der Hand. Die antiautoritäre Erziehung kam erst ein paar Jahre später und ich
persönlich profitierte davon nicht mehr.
Den Kirchenmenschen aus meiner frühen Kindheit zu verzeihen,
ist überhaupt kein Problem, denn da gibt es nichts zu verzeihen. Keine Schuld
und somit keine Sühne. Mögen sie in Frieden ruhen. Es gibt also keinen
einzigen, für mich nachvollziehbaren Grund, warum aus meinem Bauch gerade so
eine überdimensionierte Wut aufsteigt. Hier auf dem Jakobsweg, in Gottes
herrlicher Natur.
Der Weg geht weiter und ist bescheiden. Möchte nur zu gerne
wissen, was an der „harten“ Variante des Weges wirklich „hart“ ist. Wenn ich
diesen Reiseführer geschrieben hätte, wäre ich viel deutlicher gewesen. Ich
hätte den Straßen-Camino als „voll asphaltierter, scheißlangweiliger Weg in
praller Sonne“ beschrieben. Der einzige Schatten, den es hier gibt, wirft immer
wieder die Autobahn über mir. Aber mir ist heute auch klar, dass ich in jedem
Fall noch einmal diesen Weg pilgern werde und zwar von Frankreich aus und dann
durch den Eichenwald. Was soll bitteschön an einem wundervollen, alten
Eichenwald „hart“ sein?
Weiter zu meiner momentanen Denkaufgabe, herauszufinden,
woher meine Wut auf die Kirche kommt. Nicht auf die Kirche als ganzes, sondern
auf vereinzelte Machthaber, die in den vergangenen zwei Jahrtausenden bis heute
ganze Völker mit samt ihren Kulturen und Ritualen ausrotten ließen und selbst
im letzten Jahrhundert noch eifrig mit den Nazis zusammen arbeiteten. Im Namen
des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Da könnte ich mich gepflegt
übergeben.
Wenn man jemandem verzeiht, dann sollte derjenige doch
vorher seine Schuld eingesehen haben und sich entschuldigt haben, oder? Einem
Serienmörder, Einbrecher oder Vergewaltiger, der nicht vor hat etwas an seinem
Tun zu ändern, kann man doch nur schwer bis überhaupt nicht verzeihen, oder
liege ich da falsch?
Selbst die Kirche gewährt
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