Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
Brille in Unterwäsche
und einem Handtuch über dem Arm auf mich zu und fragt, wo hier denn die Duschen
seien. Die Gelegenheit, meine guten Vorsätze in die Tat umwandeln zu können,
nutze ich, stehe auf und begleite sie dorthin. Irgendwie sind die ja echt
drollig. Mich würde es nur noch interessieren, wie alt die Herrschaften nun
tatsächlich sind.
In meinem Pilgerbüchlein steht, dass in dieser Kirche das
Abbild eines Karten spielenden Jesuskindes hängen soll. Als alte Kartenlegerin
interessiert mich das natürlich brennend. In der Bibel wird das Glücksspiel als
Sünde verurteilt und dann soll hier ein Jesus hängen, der Karten spielt?
Davon möchte ich unbedingt ein Foto.
Leider ist es nicht so einfach, in die Kirche zu gelangen,
denn vor dem Kirchenportal fegen zwei spanische Hausfrauen in Kittelschürzen
den Vorhof. Und das tun sie in einer Leidenschaft, als müssten sie die Kirche
mit ihrem Leben verteidigen. Sie schimpfen und fuchteln mit den Besen herum und
fegen, als würde sie gleich der Teufel holen.
Ein paar andere Pilger stehen auch schon da und warten, bis
sie hinein dürfen. Unter anderem ein Spanier, der die zwei „Weiber“ erst
richtig anstachelt. Ob sie denn nicht merken, dass sie gegen den Wind fegen,
der die ganzen Blätter wieder dahin zurück blase, wo sie gerade gefegt haben,
fragt er sie.
Die eine bruttelt was in die Haare auf ihren Zähnen und fegt
wild weiter. Plötzlich dreht sie sich zu dem Spanier hin, fuchtelt ihm mit
ihrem Besen vor seinem Gesicht herum und schimpft wie eine Kanone, die gerade
abgefeuert wurde.
Der Spanier kann sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Er
fragt die Besen schwingende Pomeranzen: „Sagt mal, wo haben sie euch Furien
denn frei gelassen? Ist die Kirche nicht ein heiliger Ort für Christen und hier
besonders für Pilger? Seit wann dürfen solche giftigen Hexen, wie ihr welche
seid, sich einer Kirche nähern?“
Die Beiden fegen laut schimpfend weiter und ich mach mich
auf den Weg ins Dorf. Dieser Jakobsweg ist in jedem Fall unterhaltsamer, als
jeder Kinofilm, den ich kenne.
Ich besorge mir einen Bocadillo mit Rührei und Thunfisch
und setze mich an den Fluss um mein Mahl zu verspeisen. Den Rotwein lasse ich
heute mal ausfallen, dafür ist es noch zu früh und später habe ich vermutlich
keine Lust mehr, noch einmal ins Dorf zu gehen.
Als ich mich wieder meinem Refugio nähere, ist die Hochzeit,
die gerade in der Kirche gehalten wurde, vorbei und die Furien fegen schon
wieder den Vorplatz. Der Spanier von vorhin hat Verstärkung geholt und nun
brechen wir Pilger in die Kirche ein. Die Tür ist offen und wir lassen uns von
diesen Besen schwingenden Weibern einfach nicht mehr beeindrucken.
Die können genau so gut fegen, wenn wir in der Kirche drin
sind, was sie dann auch ohne zu murren tun. Wer hätte das gedacht?
Manchmal muss man durch offene Tore einfach hindurch
schreiten, egal was die Wächter sagen.
Schon wieder was gelernt. Danke, Spanier.
Den Jesus mit den Karten finde ich sofort und um ein gutes
Foto schießen zu können, muss ich sogar auf die Bank klettern, was ich
vorsichtig tue. Ich möchte mich ungern verletzen, sonst wäre ja der Weg für
mich schon zu Ende und da versuche ich lieber nichts riskieren. Nachdem ich die
Fotos gemacht habe, klettere ich wieder herunter und im nächsten Moment kommt
auch schon die wilde Furie angeschritten, schaltet alle Lichter aus und
scheucht mich aus der Kirche.
Was es alles gibt… nicht zu fassen!
Die Abendsonne scheint warm in den steinernen Innenhof. Auf
dem Dach der Kirche klappert ein Storch in seinem Nest. Einige Pilger, die die
nasse Kälte der letzten Tage noch in den Knochen haben, setzen sich auf die
warmen Steine und lassen sich von den Sonnenstrahlen bescheinen. Sie
unterhalten sich auf Spanisch, erzählen sich Witze und lustige
Camino-Geschichten. Ich setze mich dazu und genieße die Sonne. Wenn man draußen
lebt, bekommt man wieder einen ganz anderen Bezug zum Wetter, den Jahreszeiten,
der Natur und zu anderen Menschen, die ebenfalls draußen sind. In den Städten
und Dörfern lebt der Mensch normalerweise drinnen und isoliert. Hier, auf dem
Camino begegnen sich die Menschen draußen und alle sind gleich. Es interessiert
niemanden, wer du bist und was du tust. Interessant ist nur, woher du kommst
und die Geschichten, die du auf diesem Weg erlebt hast.
Waschtag
Jesus spielt Karten mit einem Mönch
Kirchenpflegerinnen
Als Pilger ist man sofort und automatisch in die
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