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Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Titel: Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)
Autoren: Jay S.
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draußen macht. Ich stelle die schmutzigen Teller zusammen, lege das Besteck und die beiden Gläser darauf und stelle sie neben das Waschbecken.
     
    Während ich nach draußen in den klaren Himmel blicke, muss ich an Emilia denken und fühle mich plötzlich völlig alleine. 
    Mein vermindertes Zeitgefühl lässt mich nur ungefähr ahnen, wie lange ich noch in der Küche vor mich hinvegetiert habe, bis ich mich endlich dazu durchringen konnte, mich umzuziehen und Amy beim Baden Gesellschaft zu leisten.
     
    Wenn es ums Schwimmen geht, kommt Amy eher nach ihrer Mutter als nach mir. Es dauerte lange, bis ich mich als Kind ins Wasser gewagt habe, was in erster Linie daran liegt, dass ich in Süditalien am Meer als dreijähriger Junge mit angesehen habe, wie mein Großvater am späten Abend von einer Welle verschluckt und erst drei Stunden später, leblos wieder angeschwemmt wurde. Anstatt zu schreien, war ich einfach nur wie angewurzelt im Sand stehen geblieben und erst wieder aus meiner Starre erwacht, als mich meine Mutter schüttelte und fragte, wieso wir denn um diese Zeit noch baden gehen wollten. Die darauffolgenden fünf Jahre hatte ich beschlossen, dem Wasser die Schuld für seinen Tod zu geben und bin ihm bei jeder Gelegenheit aus dem Weg gegangen, bis ich schließlich eines Tages Mut gefasst und meinem Trauma ein Ende gesetzt habe. Und zwar genau an diesem See.
     
    Ich blicke auf den naturbelassenen, kleinen See, der stellenweise dicht mit Algen bedeckt ist, was Amy nicht im Geringsten zu interessieren scheint, da sie unbeeindruckt durch die grünen Pflanzendecken hin und her schwimmt. 
    „Komm, spring von da hinein!“, fordert sie mich auf und deutet dabei auf den etwa zehn Meter langen und knapp zwei Meter breiten Holzsteg. Etwas skeptisch betrete ich die morsche und lückenhafte Konstruktion, während Amy mich vom See aus weiter motiviert. 
    „Komm schon! Das Wasser ist super!“
     
    Dann stehe ich auf einmal am Abgrund und blicke in die Tiefe. Das Wasser unter mir beginnt sich zu bewegen. Erst sind es nur kleine Wellen, dann werden sie immer heftiger und verwandeln sich nach und nach zu einem Sturm. Amys Stimme rückt in die Ferne, der Himmel wird dunkler, dichte graue Wolken ziehen auf. 
    Ich mache einen Schritt zurück. 

Kapitel 22
    „Paps! Komm schon!“, höre ich nun Amys Stimme wieder deutlicher. Ich versuche zu verdrängen, was ich gerade erlebt habe, weil es meine Vorstellungskraft übersteigt. Der Himmel ist wieder klar, das Wasser unter mir ruhig. Alles ist gut, sage ich mir immer und immer wieder.
    Ich mache noch einen weiteren Schritt zurück, nehme Anlauf und springe ins kalte Wasser, das mich für einen Moment alles vergessen lässt; den Stress der letzten Tage, das Interview mit dem seltsamen Typ, das verlassene Schulhaus… und dieses seltsame Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt.
     
    In diesem Moment ist alles so, wie es sein soll. Ich öffne die Augen, betrachte die winzigen Luftbläschen, die langsam an die Oberfläche schweben, die Lichtstrahlen, die in der finsteren Tiefe unter mir verschwinden.
    Zurück an der Wasseroberfläche höre ich wieder Amys vertraute Stimme. Ich drehe mich zu ihr um, sie hält sich knapp zwanzig Meter von mir entfernt über Wasser und ruft: 
    „Schau mal, wie lange ich unten bleiben kann!“
    Dann taucht sie ab.
    Ich spüre, wie mein Körper sich zu verkrampfen beginnt, versuche dagegen anzukämpfen, beginne die Sekunden zu zählen. 
    Eins…
    Zwei…
    Drei…
    Vier…
    Fünf…
    Das Atmen fällt mir schwer, ich kann mich nicht mehr aufs Zählen konzentrieren. Dass ich Amy nicht mehr sehen kann, macht mich fertig. Ich versuche, mich selbst zu beruhigen. Sie wird gleich wieder nach oben kommen.
    Dann schwimme ich ein paar Züge in ihre Richtung. Zumindest hoffe ich, dass die Richtung stimmt, denn mein Orientierungssinn geht zusammen mit meinen Nerven den Bach runter.
    Mittlerweile müssen mindestens dreißig Sekunden vergangen sein.
    Jedes Kind muss seine Grenzen austesten…
    Ich schwimme noch ein paar Meter weiter, beginne ihren Namen zu rufen. 
    „Amy!“
    „Amy! Komm wieder nach oben!“
    Als könnte sie mich hören…
    Ich rufe lauter, beginne ihren Namen regelrecht zu schreien und schwimme energisch weiter.
    Mindestens eine Minute ist vergangen, seit sie weg ist. 
    Dann erkenne ich plötzlich winzige Luftblasen an der Wasseroberfläche. Ich tauche hinab, tiefer und tiefer, wende mich von einer Seite zur anderen, suche verzweifelt
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