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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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die Brauen hoch. »Zwei ihrer Nachbarn haben Sie am Fenster gesehen.«
    »Schon möglich. Mein Schlafzimmer geht zur Straße raus. Ich habe das ganze Spektakel mitbekommen mit Krankenwagen, Polizei und Verkehrsunfallaufnahme, und einen Blick aus dem Fenster geworfen.«
    »Aber den Unfall selbst haben Sie nicht gesehen?«
    »Wenn ich ihn beobachtet hätte, dann hätte ich mich doch sofort als Zeuge zur Verfügung gestellt. Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
    Ihre Stirn legte sich in Falten, die Lippen kräuselten sich. Nun zuckte sie die Schultern. »Wäre ja auch zu schön gewesen. Schade. Echt schade.« Sie verabschiedete sich. Eugen schloss die Tür hinter ihr und starrte auf die Sicherheitskette. Warum tat er das? Warum verhielt er sich so, wie er sich sonst nie verhielt? Wie ein trotziger Junge.
    Während er weiter auf die Kette blickte, deren metallische Glieder studierte, stieg eine Erkenntnis in ihm auf.
    Die Verachtung, die man ihm entgegenbrachte, weil er ein ordentlicher Bürger war. Die Schmerzen in seiner Hüfte, die er einem verdankte, der seiner Pflicht nicht nachgekommen war. Die Ungerechtigkeit, dafür nicht entschädigt, sondern sogar in Frührente geschickt worden zu sein. Dass man sich über ihn lustig machte, ihn verspottete und nicht ernst nahm. Er hatte das alles satt. So satt!

11
    In Lautenschlägers Loft in München-Freimann roch es nach schwarzem Afghanen. Im Aschenbecher entdeckte Dühnfort die Reste einer Tüte, die Pupillen des Mannes waren groß wie Fünfcentstücke. »Ein wenig Entspannung nach einem anstrengenden Tag«, meinte Sven Lautenschläger, als er Dühnforts Blick bemerkte. Andere tranken Alkohol, er kiffte hin und wieder. So what?
    Das folgende Gespräch brachte die Ermittlungen nur insofern voran, als Lautenschläger als Verdächtiger ausschied. Gestern war er zu einem Vorstellungstermin in Berlin gewesen und erst heute Mittag zurückgekehrt. Er legte Flugticket und Hotelrechnung vor und zeigte sich erschüttert von Jens Flades Tod. Dühnfort ließ sich noch den BMW vorführen – er war unbeschädigt – und verabschiedete sich.
    Es war bereits dunkel und es nieselte, als Dühnfort in seinen Wagen stieg. Zeit, Schluss zu machen. Er rief Gina an. »Bei mir oder bei dir? Oder sollen wir essen gehen?«
    »Meine Mutter hat einen Topf Gulasch gekocht, der für eine Hundertschaft reicht. Und, stell dir vor, es ist nicht angebrannt, sondern riecht lecker.«
    Dühnfort lachte. Dorothee war eine grandios unbegabte Köchin. Doch er war bereit, sich von einer überraschenden Entwicklung ihrer Kochkünste überzeugen zu lassen.
    Der Berufsverkehr war dicht. Von Freimann bis zu Ginas WG am Bordeauxplatz benötigte Dühnfort eine halbe Stunde, und dann fand er natürlich keinen Parkplatz. Er suchte alle Seitenstraßen ab. Erst als er den Platz bereits zum dritten Mal umkreiste, hatte er Glück. Jemand fuhr weg.
    Es nieselte noch immer. Sein Mantel war klamm, als er an Ginas Tür im fünften Stock eines Hinterhofaltbaus klingelte. Theo öffnete ihm. Er war Finanzbeamter und spielte in seiner Freizeit Trompete in einer Bigband. Seit ein paar Monaten war er mit Rebecca, der Sängerin, liiert. »Hallo, Tino. Mistwetter heute, nicht?«
    »Kann man wohl sagen.« Im Flur roch es nach geschmortem Fleisch. Erst jetzt bemerkte Dühnfort, wie hungrig er war. Als er aus dem Mantel schlüpfte, kam Gina aus der Küche. Sie legte die Arme um seine Schultern, gab ihm einen Kuss und schnupperte dann an seinen Haaren. »Wie riechst du denn? Sag bloß, du kiffst heimlich?«
    »Früher mal. In meiner Rebellenphase.«
    »Was, echt? Du stoned? Das würde ich gerne mal erleben!«
    Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Wirklich?«
    »Klar. Mister Allesunterkontrolle außer Kontrolle …« Das schelmische Grinsen, das er so mochte, erschien auf ihrem Gesicht. »Hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    Wirkte er tatsächlich so spießig? Musste er immer alles im Griff haben? Er schob die aufsteigende Gedankenflut beiseite. Gina hatte recht. Er grübelte zu viel.
    »Essen ist fertig«, rief Dorothee aus der Küche.
    Kurz darauf saß er mit Gina, ihrer Mutter Dorothee, Xenia, einer Studentin der Filmhochschule, und Theo am Tisch wie eine Familie, und wie immer genoss Dühnfort das Gefühl, dazuzugehören. Es fehlten nur Ferdinand und Bodo, um die Runde komplett zu machen. Ferdinand, Restaurator bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, besuchte einen Vortrag. Und Bodo, Ginas Vater,

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