Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
Vom Netzwerk:
die Lippen farblos. Offene Augen blickten erstorben ins Leere. In den Wimpern hatten sich einige Tropfen verfangen, in den Haaren hafteten ein paar braune Birkenblätter und einige Gräser. Die Kleidung war vollständig, aber von Spuren gezeichnet, die auf einen verzweifelten Überlebenskampf schließen ließen. Jeans und Steppjacke waren schlammbeschmiert und an etlichen Stellen eingerissen. Die Handflächen waren aufgeschürft. Ein Schuh lag zwei Meter entfernt vor einem Busch.
    »Haben Sie schon eine Vermutung, was die Todesursache betrifft?«
    Ursula Weidenbach schob die silbergefasste Brille am Nasenrücken nach oben. »Sehen Sie selbst.« Mit beiden Händen übte sie leichten Druck auf den Brustkorb aus. Feiner Schaum trat aus Mund und Nase.
    »Sie ist also ertrunken«, meinte Gina, die sich zu ihnen gesellt hatte.
    » Ertränkt worden trifft es wohl besser.« Dühnfort wies auf den aufgewühlten Kies. »Sie hat um ihr Leben gekämpft.«
    Weidenbach zupfte die Latexhandschuhe zurecht. »In ein paar Stunden kann ich mehr dazu sagen. Ich melde mich, sobald wir mit ihr anfangen.«
    Dühnfort betrachtete das Ufer. Die junge Frau war in zwanzig Zentimeter tiefem Wasser ertrunken. Aus der Manteltasche holte er Latexhandschuhe, streifte sie über und zog aus der Steppjacke der Toten ein Ledermäppchen, das Personalausweis und Führerschein enthielt. Martina Oberdieck, 22 Jahre alt, wohnhaft in der Gabelsbergerstraße.
    Buchholz erreichte den Tatort. Sein mächtiger Bauch spannte unter dem dünnen Material des Einwegoveralls. Eine Wollmütze schützte seine Glatze. »So, jetzt überlasst ihr das Feld mal schön uns. Die Tote läuft euch ja nicht weg. Ein paar unberührte Spuren würde ich gerne noch finden.«
    In den Händen trug er zwei Alukoffer. Einer seiner Mitarbeiter folgte ihm mit einer mobilen Tatortleuchte, während zwei weitere aus dem Bus noch mehr Gerätschaften holten.
    »Guten Morgen, Frank. Nimm auch Faserspuren vom Jogginganzug.« Dühnfort wies auf den Mann am Baum. »Er hat sie geborgen.«
    Buchholz’ Stimmung war nicht die beste. Vermutlich war auch er vor dem Frühstück zum Einsatz gerufen worden. »Super Idee! Hat er nicht gesehen, dass sie tot ist? So was von tot. Mischspuren! Ich bin begeistert!«
    Zeit, Buchholz alleine granteln zu lassen und mit dem Zeugen zu reden. Dühnfort stellte sich vor. Der Mann war älter als zunächst gedacht. Ein Netz feiner Falten zog sich über das Gesicht. Die dunklen Locken waren graumeliert. »Ralph Papst.« Er reichte Dühnfort eine eiskalte Hand.
    »Sie sind hier spazieren gegangen und haben die Frau dabei gefunden?«
    »Ich war joggen. Das mache ich jeden zweiten Tag am frühen Morgen.«
    Papst wohnte in Unterföhring, war Immobilienmakler und hatte drei verschiedene Jogging-Routen. Die zum See war ihm die liebste. »Obwohl man ihn nicht umrunden kann, sondern hier kehrtmachen muss.« Er wies auf die zum Ufer abfallende Kieszunge. »Und dabei bin ich über sie gestolpert. Es war ja noch beinahe dunkel.«
    »Können Sie die Lage der Frau beschreiben?«
    »Sie lag auf dem Bauch mit Kopf und Schultern im Wasser. Ich habe sie herausgezogen.«
    »Und dann?«
    »Dann habe ich sie umgedreht.« Mit der Hand fuhr Papst sich übers Kinn. »Eigentlich habe ich sofort gesehen, dass sie tot ist. Trotzdem habe ich nach einem Puls gesucht, und als ich keinen gefunden habe, habe ich meinen Kopf auf ihren Brustkorb gelegt, in der Hoffnung, das Herz schlagen zu hören. Da war aber nichts mehr zu machen.«
    »Warum haben Sie das getan?«
    Überrascht sah Papst ihn an. »Hätte ich sie liegenlassen sollen? Ich konnte ja nicht wissen, dass sie tot ist. Vielleicht hätte man sie retten können.«
    »Ja, natürlich.« Dühnfort bat Papst, seine Aussage zu Protokoll zu geben, und ging dann zu Alois, der gerade sein Handy einsteckte. »Ich habe die Kollegen von der Schutzpolizei angefordert, damit sie die Umgebung absuchen.«
    »Gut. Kümmerst du dich auch um die Absperrung?«
    »Klar.«
    Gina hatte sich auf dem Gelände umgesehen. Nun kam sie über die Wiese auf Dühnfort und Alois zu. Ihre Körpersprache drückte Entschlossenheit aus, die Todesumstände von Martina Oberdieck aufzuklären. Energisch schritt sie aus, den Kopf erhoben, das Kinn gereckt.
    »Ist was mit Ginas Auto?«
    Dühnfort überraschte die Frage. »Was soll damit sein?«
    »Na, weil sie mit dir gekommen ist.«
    Kaum merklich fuhr er zusammen. »Ich habe sie abgeholt. Lag ja auf dem Weg.« Dühnfort fühlte sich

Weitere Kostenlose Bücher