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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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gesehen?«
    Resa schüttelte den Kopf. »Abends war sie nicht da. Das kommt häufig vor. Erst heute Morgen habe ich mich gewundert, dass sie nicht heimgekommen ist … Und jetzt ist sie … Ich kann mir das gar nicht vorstellen …« Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Was macht sie denn am Unterföhringer See? Mitten im Winter.«
    Dühnfort zog ein Päckchen Papiertaschentücher aus der Manteltasche, reichte ihr eines und wartete, bis Resa sich die Tränen getrocknet hatte.
    »War Martina denn im Sommer häufig dort?«
    »Wenn wir schwimmen gehen, dann fahren wir an den Wörthsee. Ich weiß gar nicht, ob sie jemals am Unterföhringer war. Mit mir jedenfalls nicht.«
    »Wie war Martina in den letzten Tagen? Wirkte sie verändert?«
    Energisch schüttelte Resa den Kopf. »Martina war wie immer. Ein wenig hektisch, ein wenig chaotisch und im Stress wegen einer Semesterarbeit.«
    Dühnfort ließ sich Tinas Zimmer zeigen. Ein gemäßigtes Chaos herrschte darin. Weder Schlüssel noch Handy und Geldbeutel waren zu finden.
    »Können Sie die Handtasche beschreiben, die Tina gestern bei sich hatte?«
    »Sie hatte den Rucksack mit. Einen Crumpler mit Laptoptasche. Den hatte sie auch dabei. Den Laptop, meine ich.«
    Der war also auch weg. An Tinas Mails kamen sie also so schnell nicht ran. Er sah sich in ihrem Zimmer um, entdeckte dabei nichts Ungewöhnliches und versiegelte die Tür, bevor er sich von Resa verabschiedete.
    Die schwerste Aufgabe stand ihm noch bevor. Wie sagte man Eltern, dass ihr Kind tot war?

19
    Er fuhr durch den nicht hell werdenden Tag Richtung Westen und ließ die Stadt hinter sich. Feiner Nieselregen setzte ein. Die Scheibenwischer schmierten. In einem Waldstück hing Nebel über der Straße.
    Die passenden Worte wollten sich nicht einstellen, als er gegen Mittag in Begleitung des Pfarrers von Olching an der Tür eines modernen Einfamilienhauses klingelte. Tot aufgefunden. Allem Anschein nach ertrunken. Wir gehen von Fremdeinwirkung aus. Es tut mir leid.
    Nichts nahm der Botschaft den Schrecken. Martinas Vater war auf Geschäftsreise. Ihrer Mutter versagte der Kreislauf. Dühnfort fing sie gerade noch auf, leistete erste Hilfe und rief den Notarzt. Als der gekommen war und es ihr besserging, fragte Dühnfort, ob er jemanden anrufen solle, der sich um sie kümmern konnte. Sie nannte die Nummer einer Freundin. Dühnfort bat diese zu kommen und wartete ihr Eintreffen ab. Erst dann machte er sich auf den Rückweg.
    Er fühlte sich hilflos und schämte sich, dass es ihm nicht gelungen war, die schreckliche Nachricht angemessener zu überbringen.
    Während der Rückfahrt in die Stadt verließ er irgendwo die Autobahn. Er brauchte einen Kaffee und etwas zu essen und kehrte in einer Wirtschaft ein. In der Gaststube herrschte Schummerlicht. Einfache Holztische und Bänke. Kerzenständer aus Schmiedeeisen. Im Herrgottswinkel ein Kruzifix, darunter ein Strauß verstaubter Plastikrosen. Ein alter Mann saß im Erker. Auf dem Haupt sprossen einige Büschel weißes Haar. Der Kopf lag eingesunken zwischen knochigen Schultern.
    Dühnfort setzte sich ans Fenster. Die Bedienung trat an den Tisch. Er fragte, was sie empfehlen würde, und bestellte ihrem Rat folgend Schwammerl mit Knödel und dazu ein alkoholfreies Bier.
    Die Schwammerl entpuppten sich als Steinpilze und schmeckten vorzüglich, ebenso wie der hausgemachte Semmelknödel. Jetzt noch einen doppelten Espresso und Dühnfort wäre so einigermaßen versöhnt mit diesem Tag.
    »Espresso? Schaugt unser Wirtschaft so aus, ois gabs da herin an Espresso? An Kaffee können’s ham. A Haferl.«
    Nach sieben Jahren verstand Dühnfort den Dialekt einigermaßen. Sieht es so aus, als ob es in unserer Wirtschaft Espresso gäbe?, übersetzte er. Eigentlich nicht. Er bestellte das Haferl und dazu frische heiße Milch. Während er darauf wartete, klingelte sein Handy. Dr. Ursula Weidenbach meldete sich. »Wir beginnen in fünfzehn Minuten mit der Obduktion der Wasserleiche. Kommen Sie?«
    »Ich bin noch unterwegs. Das schaffe ich zeitlich nicht. Gina macht das.« Er beendete das Gespräch und rief Gina an, um sie zu bitten, den Termin wahrzunehmen. Sie wollte wissen, wie es ihm mit Martinas Eltern ergangen war, wie sie die Nachricht aufgenommen hatten. Er erzählte es ihr.
    »Und jetzt geht es dir nicht gut. Jetzt glaubst du, versagt zu haben?«
    »So ähnlich.«
    »Wenn du irgendwann die Worte gefunden hast, mit denen man eine solche Nachricht gut überbringen

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