Schuld währt ewig
kann, dann verrate sie mir, ja? Das geht einfach nicht. Dafür wird es nie die passende Formulierung geben. Am Ende steht die nackte Wahrheit, und die zieht den Leuten die Füße weg. Das ist nun mal so, auch wenn du das noch so vorsichtig formulierst.«
Während er telefonierte, begann es wieder zu regnen. In feinen Fäden lief das Wasser an der Fensterscheibe hinab. Mit den Augen verfolgte er einen der Tropfen. »Von Martinas Rucksack fehlt noch jede Spur. Ihr Laptop und ihr Handy sind darin. Wir sollten versuchen, es zu orten.«
»Ich rufe Meo an, er kann sich darum kümmern. Und dann düse ich weiter zur Weidenbach. Bis später im Büro.«
Dühnfort trank den Kaffee und machte sich auf den Rückweg in die Stadt.
Gepflügte Äcker. Graue Wiesen. Gewerbegebiete und Einkaufszentren. All das verlief im Regen zu einem vorüberhuschenden Aquarell. Über der Autobahn lag ein Schleier verwirbelter Feuchtigkeit, der Dühnfort zwang, die Scheibenwischer eine Stufe höher zu stellen.
Eine halbe Stunde später saß er in seinem Büro, machte sich einen richtigen Espresso und startete den PC , um Einsicht in die elektronischen Ermittlungsakten zu nehmen.
Im Fall Oberdieck wartete er auf das Ergebnis der Obduktion und Buchholz’ Bericht der Spurenlagen. Die Befragung der Anwohner lief, und das Areal am See wurde abgesucht. Martinas Mutter war nicht in der Lage gewesen, seine Fragen zu beantworten. Hoffentlich ging das heute Abend, spätestens morgen in der Früh.
Im Fall Flade tat sich nichts. Es ging einfach nichts voran. Für Bettina Flade würden die Ermittlungen nun härter werden. Die privaten Unterlagen ihres Mannes mussten Blatt für Blatt, Datei für Datei, Telefonat für Telefonat nach einem Anhaltspunkt durchforstet werden. Das ging nicht ohne Verletzung der Privatsphäre ab.
Dühnfort arbeitete sich noch einmal durch alle Zeugenaussagen. Sie waren schlüssig. Mit im Nacken verschränkten Händen starrte er an die Decke seines Büros. Eine Spinnwebe schaukelte im Luftzug über dem Heizkörper. Feine Risse zogen sich durch den Putz, verzweigten sich, trafen zusammen und trennten sich wieder.
Dühnfort suchte Moritz Russo in dessen Büro auf. Im Regal hinter seinem Schreibtisch standen etliche Pokale. Russo war Triathlet und gewann regelmäßig Wettkämpfe. Ein sehniger Mann mit wettergegerbtem Gesicht, Stoppelhaarschnitt und, vor allem, Durchhaltevermögen. Er und sein Team waren mit dem Mord an einem Obdachlosen durch. Da war nur noch Papierkram zu erledigen. Dühnfort fragte, ob er ein oder zwei seiner Leute entbehren konnte. »Kein Problem. Sandra und Nicolas können euch unterstützen«, meinte Russo.
»Prima.« Sandra Gottwald war eine erfahrene Kollegin und Nicolas Stahl ein Workaholic, seit seine Frau ihn im Frühling verlassen hatte. »Sind sie denn im Haus?«
Russo nickte. »Ich sage den beiden gleich Bescheid.«
»Wir treffen uns in zehn Minuten zu einem Update.«
Während Dühnfort durchs Treppenhaus zurückkehrte, fasste er einen weiteren Entschluss. Alois sollte seine Chance bekommen. Dann rief er Buchholz an.
»Ein paar Fasern an der Kleidung und Reifenspuren oben am Parkplatz. Mehr haben wir bis jetzt nicht. Ich melde mich, sobald wir das ausgewertet haben. Ach ja, und der Rucksack ist nicht aufzufinden. Entweder liegt er im See, oder der Täter hat ihn. Sollen wir Taucher anfordern?«
Dühnfort gab dafür grünes Licht.
Kurz vor halb vier kam Gina herein. Sie umarmten sich und fuhren auseinander, als einen Moment später Alois und Meo eintraten. Meo war einer der jüngsten Computerspezialisten der Münchner Kripo und einer der besten. Eigentlich hieß er Romeo. Romeo Klein. Diese Namensgebung nahm er seinen Eltern noch immer übel. Er blieb in der offenen Tür stehen. »Die Handyortung ist veranlasst, wird aber vermutlich nichts bringen, denn das Teil ist ausgeschaltet. Eine Liste aller Telefonate der letzten Monate bekommst du bis morgen.«
»Hoffentlich hilft uns das weiter.« Dühnfort setzte sich an den Tisch in der Ecke.
»Ich habe jede Menge zu tun. Wenn ihr mich nicht braucht, bin ich mal weg.«
Als Dühnfort nickte, ging Meo und traf in der Tür mit Nicolas Stahl und Sandra Gottwald zusammen.
Nicolas war ein bulliger Kerl, an dem kein Gramm Fett war. Muskeln zeichneten sich unter dem weißen Oberhemd ab, die Krawatte war gelockert, im linken Ohrläppchen steckte ein silberner Knopf. Sandra, eine mollige Mittvierzigerin mit Dauerwelle, trug Jeans und
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