Schuld war nur die Badewanne
sich sagen lassen, dass man selbstverständlich einen Spezialisten zugezogen habe. Im Übrigen könne er zu einer angemessenen Zeit gern ins Krankenhaus kommen und sich die Röntgenbilder erläutern lassen. Das tat er wirklich, doch einigermaßen beruhigt war er erst zwei Wochen später, als der Krankenwagen vorfuhr und Katja sich entschieden weigerte, auf der Bahre ins Haus getragen zu werden. »Ich kann nicht nur laufen, ich soll es sogar!« Mit der Klobrille unterm Arm steuerte sie die Treppe an.
»Wir haben ein bisschen gemöbelt«, bremste ich. »Dein Bett steht jetzt im Gästezimmer, damit du nicht immer zwei Treppen steigen musst.«
»Einen Fahrstuhl habt ihr noch nicht installiert?«
»Dein Sarkasmus ist völlig unangebracht«, sagte ich ärgerlich. »Sei dankbar, dass du keine Rollstuhlrampe brauchst.«
»Bin ich ja auch«, kam es kleinlaut zurück. »Ich habe sogar einen Eid geleistet, mich nie wieder auf so eine verdammte Karre zu setzen. Besonders gläubig bin ich ja nicht, aber diesen Unfall habe ich als Warnung von oben verstanden.« Sie warf einen vielsagenden Blick zur Zimmerdecke. »Tom übrigens auch. Er hat seine Maschine zum Verkauf ausgeschrieben.«
Das rechne ich ihm bis heute hoch an. Gerade vier Monate alt war sie gewesen, hatte so viel wie ein Kleinwagen gekostet, und jedes Mal, wenn sie vor unserem Haus geparkt war, hatte sie das Interesse der männlichen Nachbarschaft von acht Jahren an aufwärts erregt. Noch immer bekommt Tom sehnsüchtige Augen, sobald er ein besonders schönes Motorrad sieht, aber er ist eisern geblieben. Im Auto wird er auch nicht nass!
Während Katja sich mit den physischen Folgen ihres Unfalls herumschlug, knabberten wir an den finanziellen. Der Orthopäde hatte ihr eine Spezialmatratze verordnet, eine besonders harte. So was kann man kaufen, vorausgesetzt, man besitzt ein normales Bett. Katjas Spielwiese hatte jedoch Überbreite, und Sonderanfertigungen sind teuer!
Der Klositz passte auch nicht. Offenbar haben Krankenhäuser andere Toiletten. Oder wir. Seinerzeit hatte ich bei der Ausstattung unseres Badezimmers auf Modell »Bali« bestanden (nie wieder dunkelbraune Waschbecken!!!), und deshalb halte ich es durchaus für möglich, dass sich dieser exotische Name auch auf indonesische Körperformen bezogen hat. Folglich kostete der angepasste Klostuhl ein Vielfaches von dem, was er schon regulär gekostet hätte.
Rolf stellte Berechnungen auf. Soundso viele Waschmaschinenfüllungen zusätzlich pro Woche (nicht nur wegen der Suppe) in Relation zu der einmaligen Anschaffung eines Bistro-Tisches. Ich kannte diese Dinger nur von Tchibo, wo man im Vorbeigehen schnell mal eine Tasse Kaffee trinkt. Als Mobiliar in einer Essecke hatte ich solche Tische noch nie gesehen. Es gab sie auch nicht in Kiefer massiv, sondern nur in Marmor oder mit gepünktelter Kunststoffplatte. Das Möbel nahm sich etwas artfremd bei uns aus. Otto gefiel es auch nicht. Er hatte in letzter Zeit während der Mahlzeiten immer neben Katja gestanden und auf die Brocken gewartet, die während ihrer Balanceakte zwischen Esstisch und Mund heruntergefallen waren. Jetzt konnte sie sich wenigstens abstützen.
Doch das alles sollte ja nur ein vorübergehender Zustand sein. Genau wie die Leitung, die Hannes unter Umgehung der Telekom in Katjas Zimmer zog, auf dass sie wenigstens die fernmündliche Kommunikation mit nah und fern aufrechterhalten konnte.
»Die Telefonrechnung wird sich bald wieder halbieren«, beruhigte ich meinen Ehemann, als er fassungslos auf die Endsumme starrte.
»Sind denn ihre Freunde alle nach Südamerika ausgewandert?«
»Bestimmt nicht«, sagte ich überzeugt. »Oder woher kommen alle diejenigen, die täglich auf der Terrasse sitzen?«
Zuerst war das gesamte Lehrerkollegium erschienen, zum Glück nicht auf einmal, sondern nacheinander. So viele kleine Blumenvasen, um die jeweils fünf Stängel Astern oder Moosröschen unterzubringen, hatte ich gar nicht, wir griffen schließlich auf Biergläser zurück. Nur der Herr Rektor kam mit Pralinen – und mit einem dicken Wälzer. »Jetzt haben Sie doch genügend Zeit, sich mit dem Schulrecht zu befassen«, meinte er. »Man muss an einer Krankheit auch das Positive sehen.«
Nachdem die Lehrer alle durch waren und es sich herumgesprochen hatte, dass die Frau Sanders eigentlich gar keinen kranken Eindruck machte, trabten die Schüler an. Gruppenweise, von drei Mann aufwärts. Jetzt reichten nicht mal mehr die Biergläser, aber die
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