Schuld war nur die Badewanne
Wassergläser konnte ich nicht auch noch zweckentfremden, wo hätte ich sonst die Unmengen von Saft und Cola hineinschütten sollen? Nach der dritten Bestellung innerhalb von zehn Tagen fiel ich bei unserem Getränkelieferanten in die Rubrik Großkunde und bekam eine Flasche Wein gratis.
Vor gut fünf Jahren hatte ich angenommen, meine Teilnahme an der Abiturfeier sei zugleich mein letzter Schulbesuch gewesen, doch das stimmte auch nicht mehr. Mir wurde nämlich die Aufgabe zuteil, die Verbindung zwischen Schule und Patientin aufrechtzuerhalten. Zwei- bis dreimal pro Woche stellte ich meinen Wagen auf dem Lehrerparkplatz ab, meldete mich im Sekretariat und bekam die dort deponierten Hefte ausgehändigt, auf dass ich sie meiner Tochter auf den Nachttisch legte, damit sie sich die Langeweile mit dem Korrigieren von Mathearbeiten vertreiben könne. Oder ich brachte der Vertretungslehrkraft den ausgearbeiteten Stoff für die nächste Woche. Manchmal konnte ich auch gleich die Aufsatzhefte mitnehmen. Nach einiger Zeit fühlte ich mich schon so heimisch, dass ich mein Scherflein in die Kaffeekasse warf und einmal sogar Kuchen mitbrachte. Als mich jedoch ein Lehrer auf dem Gang ansprach und mit Blick auf den Stapel Hefte in meiner Hand mit: »Sie sind sicher die neue Kollegin?«, begrüßte, fand ich es an der Zeit, dass Katja sich wieder selbst um die schulischen Belange kümmerte. Das Vierteljahr Schonfrist war fast vorüber. Sie bekam jeden Tag Krankengymnastik und durfte bereits zehn Minuten täglich auf einem Stuhl mit gerader Rückenlehne sitzen. »Wenn es zwanzig sind, kann ich wieder in die Schule«, sagte sie, »zehn Minuten Hinfahrt und zehn zurück.«
Es dauerte aber doch noch bis zum Ende der Weihnachtsferien, und selbst dann brauchte sie ständig einen Gepäckträger, weil ihr bis auf weiteres das Heben und Tragen irgendwelcher Lasten untersagt worden war. Klar, eine volle Aktenmappe wiegt ziemlich viel, aber ein Plastiktablett mit zwei leeren Kaffeetassen …?
Der Bistrotisch steht nun im Garten. Wenn man in der Hängematte liegt, hat er genau die richtige Höhe für den tragbaren Fernsehapparat. Zumindest im Sommer wissen jetzt auch die Nachbarn, wann mal wieder ein Länderspiel übertragen wird.
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Schuld war nur die Badewanne
J e weiter Katjas Genesung voranschritt, desto mehr konnte ich mich wieder um den Rest der Familie kümmern. Hannes hatte seinen offiziellen Antrittsbesuch hinter sich gebracht, richtig konventionell mit Blumen (echten!) für mich und Einkommensteuerbescheid für Rolf, damit der besorgte Vater sehen könne, dass der künftige Chef seiner Tochter auch das monatliche Gehalt würde zahlen können. Dass sich die geschäftliche Beziehung nunmehr auch auf das Private erweitert hatte, war unübersehbar und wurde offenbar während des einstündigen »Männergesprächs« geklärt. Hinterher meinte Rolf sogar: »Was meinst du, wird da was Dauerhaftes draus?«
»Woher soll ich das wissen? Die kennen sich doch erst seit ein paar Wochen.«
»Eben drum! Mit Horst Hermann ist Steffi so lange herumgezogen, bis sie ihn gut genug kannte, um ihn nicht zu heiraten. Diesmal sollte sie nicht so lange warten.«
»Hör endlich auf, in jedem Mann einen potenziellen Heiratskandidaten zu sehen«, sagte ich wütend. »Ich bin froh, dass sie sich von Horst Hermann endlich getrennt hat. Er war viel zu alt für sie, und vom Temperament her haben sie auch nicht zusammengepasst. Steffi ist Skorpion und er ein Ochse.« In das brüllende Gelächter hinein korrigierte ich mich sofort. »Ich meine natürlich, ein Stier.«
Das Thema war auch so lange vom Tisch, bis ich zwecks Einkauf von Kerzen und diversen Übertöpfen nach Heidelberg fuhr. Außerdem wollte ich sehen, wie sich meine Tochter in ihren neuen Wirkungskreis hineingefunden hatte. Ich fand sie vor dem Computer sitzend. »Kannst du wirklich mit so was umgehen?«
»Warum denn nicht? Das ist doch ganz einfach.«
Das höre ich immer wieder und glaube es trotzdem nicht.
Seit Jahren werde ich auf der Buchmesse als Saurier belächelt, der seine Manuskripte immer noch schön säuberlich abgeheftet in doppelter Ausfertigung abliefert, statt sie in Form einer Diskette im Briefumschlag wegzuschicken, doch die Möglichkeit, 300 Schreibmaschinenseiten in ein DIN -C 5 -Kuvert stopfen zu können, übersteigt ganz einfach meine Vorstellungskraft. Und dass mit einem Computer alles viel einfacher und schneller geht, halte ich sowieso für ein Gerücht. Ich
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