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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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gelegenen Frühstücksraums hatte ich mich gewundert, dass er zu dieser frühen Stunde bereits bis zum letzten Tisch besetzt war, und das am Sonntag! Da steht man ja nicht mal im arbeitswütigen Deutschland auf, wenn man nicht unbedingt muss! Noch verwunderlicher war allerdings, dass sich die meisten Gäste – Kaffeetasse in der einen Hand und Croissant in der anderen – vor den großen Panoramafenstern zusammendrängten. Sicher, man hatte von hier einen herrlichen Ausblick auf die Lagune, doch den hatte es gestern und vorgestern auch schon gegeben, und niemand hatte sich sonderlich darum gekümmert. Was war denn heute da unten los?
    Auf alten Stichen, die das frühere Venedig zeigen, findet man als Motiv gelegentlich auch die Regatta, offenbar ein Spektakel mit langer Tradition, denn unter dem, was sich in der Lagune tummelte, war ungefähr alles vertreten, was schwimmen kann. Am dekorativsten natürlich die Gondeln, wobei ich nicht einmal sagen kann, wer prachtvoller aussah – die geschmückten Barken oder ihre Besitzer in den alten Trachten. Dazwischen dümpelten ordinäre Ruderkähne, Schlauchboote mit Außenbordmotor oder bloß mit Paddel, ein Vierer ohne Steuermann, ein Sechser mit, aber vielleicht war es auch ein Achter, bei dem noch jemand fehlte – das alles wuselte kreuz und quer durcheinander und bot ein buntes, aber irgendwie konzeptionsloses Bild. Bei einer normalen Regatta stehen die Boote bei Punkt A nebeneinander aufgereiht, werden mit einem Startschuss ins Rennen geschickt, und wer zuerst bei Punkt B ankommt, hat gewonnen. Hier schaukelte aber alles durcheinander, es gab weder eine Startmarkierung noch ein erkennbares Ziel, und trotzdem schossen ab und zu ein paar Boote los, wurden durch Zurufe angefeuert und jubelnd begrüßt, sobald sie das Tempo verminderten. Nach dem Geschrei zu urteilen, mussten sie wohl am Ziel angekommen sein.
    »Die Spielregeln kapiere ich nicht«, sagte Irene, die gerade einen neuen Film in die Kamera zog, »aber so viele verschiedene Farbtöne habe ich noch nie auf einem einzigen Foto gehabt. Und das alles unter diesem unwahrscheinlich blauen Himmel! Wahnsinn!«
    Das Ende dieser Veranstaltung haben wir leider nicht mehr mitbekommen, deshalb bezweifle ich auch, ob dieses ganze Spektakel nicht weniger eine sportliche Herausforderung als vielmehr ein Riesenspaß für alle Beteiligten gewesen ist. Ein farbenprächtiges Schauspiel war es auf jeden Fall.
    Hatte in Venedig noch die Sonne geschienen, so wurde es immer dunkler, je mehr wir uns Mailand näherten. Kälter war es auch wieder geworden. Allem Anschein nach hatte sich das Wetter in dieser Gegend seit unserer Ankunft nicht verändert. Zu Hause musste es so ähnlich aussehen. Rolf hatte etwas von verspäteten Eisheiligen gejammert und von Geranien, die er gekauft und auf die Terrasse gestellt hatte, wo sie erst ersoffen und danach erfroren sein sollten, und ob es möglich wäre, dass der Ölstandmesser nicht richtig anzeige. Die Heizung sei nämlich ausgegangen, obwohl die Skala noch bei 20 über Normalnull stehe. »Von wem kriegen wir eigentlich unser Öl?«
    Wen wundert es also, dass ich gar nicht so böse war, als Irene in einen Stau hineinfuhr. So was ist höhere Gewalt, und wenn man deshalb seinen Flieger verpasst, kann man das Ticket bestimmt umtauschen. Gegen einen Tag in Mailand hätte ich nichts einzuwenden gehabt!
    »Italienisch ist wirklich eine äußerst klangvolle Sprache«, teilte ich Irene mit, dabei halblaut die Reklameschilder lesend. »Du musst doch zugeben, dass
cartolini ondulata
viel melodischer klingt als Wellpappe.«
    »Das ist richtig.« Sie nickte zustimmend. »Und bombastischer hört sich das meiste auch an!
Cinquanta mille Lire
« – sie ließ die Silben förmlich auf der Zunge zergehen – »klingt das nicht nach Riesenerbschaft oder Lottogewinn? Aber was kriegste dafür? Wenn du Glück und ein sparsames Auto hast, gerade mal eine Tankfüllung bleifrei normal.«
    »Sei nicht immer so grässlich realistisch!«
    »Im Augenblick bleibt mir gar nichts anderes übrig! Guck mal auf die Benzinuhr!«
    Ich tat es und erschrak. »Meinst du, es reicht noch?«
    »Sofern wir in diesem Tempo weiterzockeln, ja.« Immerhin hatten wir in den letzten zehn Minuten ebenso viele Meter zurückgelegt. »Ich glaube aber, da vorne wird es wieder zweispurig.« Sie trat kräftiger aufs Gaspedal. »Wenn wir von der Polizei nicht wegen Falschparkens rangekriegt werden wollen, müssen wir die Geschwindigkeit ein

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