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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Summer
und
C’est si bon.
Was er denn so im Repertoire habe, wollte ich von unserem Steuermann wissen, denn mit der Loreley war er nur bis zur zweiten Zeile gekommen. Viele Lieder, meinte er, und fing auch gleich an: »Ein Schiff wird kommen …« Dann musste ihm wohl eingefallen sein, dass wir für die Gesangseinlagen gar nicht bezahlt hatten, und beendete abrupt seine Darbietung.
    »Und jetzt gehen wir in die Kirche«, bestimmte Irene, nachdem wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten.
    »Warum denn das?« Mir stand der Sinn mehr nach einem Glas Wein in einer netten Trattoria oder ein bisschen Herumschlendern durch die schmalen Gassen, am allerwenigsten jedoch nach sakralem Ambiente. Kirchen hatten wir genug gesehen bei unserem ziellosen Umherstreifen, die meisten nur von außen, weil sie verschlossen gewesen waren, doch es hatte auch andere gegeben, protzigere, die in ihrem Innern wenigstens ein namhaftes Gemälde aufweisen können. Das jeweilige Kunstwerk fällt einem selbst dann sofort ins Auge, wenn man sich mit italienischen Malern nicht so gut auskennt. Es kann nämlich beleuchtet werden. Vorausgesetzt, man wirft eine Münze in die an der Wand hängende Sparbüchse. Sofort flammen die Scheinwerfer auf, doch während man noch den Faltenwurf von Jakobus’ Mantel bewundert oder die niedlichen Schafe im Hintergrund, macht es klick, und man sieht überhaupt nichts mehr. Aus naheliegenden Gründen befinden sich die sehenswerten Gemälde immer in der dunkelsten Ecke, und dass hundert Lire nicht mal reichen, um auch nur einen flüchtigen Eindruck des Ganzen zu ermöglichen, kriegt man sehr schnell mit. Mich wundert nur, dass man diese relativ problemlose Methode des Geldeintreibens noch nicht nach Deutschland exportiert hat, aber vielleicht liegt es auch nur daran, dass wir nun mal keine Tizians, Giottos, Tintorettos etc. gehabt haben. Ob das auch mit ein Grund ist, weshalb die Kirchen hierzulande immer leerer werden?
    Irene wollte allerdings keine Gemälde bewundern, sie wollte endlich die Markuskirche von innen sehen. Die hatten wir bisher nämlich ausgespart. Tagsüber war sie ständig überfüllt gewesen und abends zu. Jetzt war sie nicht nur offen, sondern sogar hell erleuchtet. »Wahrscheinlich findet eine Messe statt«, vermutete Irene, das Portal ansteuernd.
    »Dann bleibe ich am besten draußen«, sagte ich sofort, »ich bin doch nicht katholisch.«
    »Na und? In Israel bist du doch auch in Synagogen und Moscheen gegangen, obwohl du weder Jüdin noch Mohammedanerin bist.«
    »Na ja«, gab ich zu, »doch irgendwie war das auch etwas anderes. Außerdem hatte kein Gottesdienst stattgefunden.« Erst zögernd, dann schon mutiger stiefelte ich hinter Irene her.
    Ein eifriger Kirchgänger bin ich nie gewesen, und was mich bei einer katholischen Messe erwarten würde, wusste ich schon überhaupt nicht. Wahrscheinlich viel Zeremonie und vor allem viel Weihrauch. Noch heute wird innerhalb meiner Familie die Geschichte zum Besten gegeben, wonach ich in einem Tiroler Urlaubsort am Sonntagmorgen meine einheimische Spielgefährtin in die kleine Dorfkirche begleitet und plötzlich geschrien haben soll: »Ganz schnell raus hier, da vorne brennt’s! Feuer!«
    Erinnern kann ich mich daran nicht mehr, aber diese Weihrauchschwaden sind mir auch jetzt noch suspekt. Gegen allzu intensives Parfum habe ich schon immer was gehabt.
    Um welche Art Gottesdienst es sich an diesem Abend gehandelt hat, weiß ich nicht, ist auch egal, doch er hat mich beeindruckt. Nicht wegen des Bischofs, der mit großem Gefolge einzog, erst recht nicht wegen des ganzen Prunks und Pomps, der offenbar immer dazugehört, sondern wegen der Atmosphäre: die herrliche Kirche, deren Schönheit ich endlich in aller Ruhe bewundern konnte, die erstaunlich schlichte Zeremonie, doch vor allem die Musik. Hier gab es keine Gemeinde, die falsche Töne produzierte und der Orgel grundsätzlich zwei Takte hinterherhinkte, sondern einen aus Seminaristen bestehenden, geschulten Chor, der über zum Teil erstaunliches Stimmmaterial verfügte. Nun fühlt sich ja jeder zweite Italiener als verkannter Caruso, und manch einer ist es vielleicht auch, doch unter diesen Sängern hier waren bestimmt einige, die sich sogar auf einer Opernbühne behauptet hätten.
    Erst, als die Gläubigen zum Abendmahl gerufen wurden, verließen wir die Kirche und standen nun, zwar im Geiste gestärkt, doch mit knurrenden Mägen, auf der Piazza San Marco.
    »Was jetzt?«, fragte Irene.

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