Schuld war nur die Badewanne
Anwesenden, bemängelte sofort, dass ein Mandelbäumchen nicht zur selben Zeit blüht wie der Weißdorn, aber ich hätte dieses stachelige weiße Zeug in überhaupt keine Jahreszeit einordnen können. Jedenfalls sah alles sehr bunt und sehr fröhlich aus.
»Die Sippe sitzt da drüben!« Steffi deutete auf einen etwas abseits stehenden Tisch. »Aber geh erst mal zum Büfett, sonst sind die besten Sachen weg. Lass dir was von der Lachspastete geben und von dem Geflügelsalat. Ich kann leider nicht bleiben, man hat ja so seine Verpflichtungen!«
»Kennst du denn die ganzen Leute hier?« Etwa fünfzig Personen saßen oder standen kauend herum, wenn sie nicht gerade einen Teil der Schlange bildeten, die sich an den im Hintergrund aufgebauten Tischen vorbeischob.
»Höchstens zehn Prozent!«, griff Steffi meine Frage auf. »Viele sind doch wegen Trudchen gekommen. Seit über vierzig Jahren ist sie die Chefin hier in dem Laden, kennt Gott und die Welt, und genaugenommen ist diese Fete mehr eine Abschiedsparty für sie als ein Fest für uns. Ist ja auch egal, die meisten Gäste sind Kunden und Lieferanten, und die werden uns hoffentlich auch weiter gewogen bleiben. – Jetzt muss ich aber wieder nach vorne. Also bis irgendwann später!« Weg war sie.
Ein Büfett ist der Treffpunkt von Leuten, die sich, weil sie sonst nichts zu sagen haben, den Mund vollstopfen. Offenbar handelte es sich bei den meisten, die in der Schlange vor mir standen, schon um den zweiten Durchgang, denn sie fragten nicht mehr, was denn das für grüne Röllchen sind und ob das mit den Nüssen da drin wirklich Käse ist oder nicht doch ein Pudding. Sie hielten vielmehr ihren Teller hin und zeigten auf das, was sie haben wollten. Genau das tat ich auch, und zwar wählte ich nur, wovon noch am wenigsten da war, weil das erfahrungsgemäß das Beste ist. Die Lachspastete war sowieso schon alle.
Auf dem Weg zum Familientisch kam mir Rolf entgegen. »Da sieht man mal wieder, wo du die Prioritäten setzt! Anstatt zuerst das künftige Familienmitglied zu begrüßen, denkst du an so was Profanes wie Essen. Ich habe nämlich den Eindruck, die nächste Hochzeit steht uns schon ins Haus.«
»Bloß nicht! Eine pro Jahr reicht! Und außerdem ist er noch gar nicht geschieden!« Nachdem ich allerdings die junge Frau an Saschas Seite gesehen hatte, war mir klar, weshalb er sie nicht mehr von der Leine lassen wollte: So was sieht man eigentlich nur als Model im Modekatalog. Konfektionsgröße zwischen 34 und 36 , wobei die Standardmaße von Mannequins garantiert noch unterboten wurden, ein ebenmäßiges Gesicht, in dem die grünen Augen dominierten, und darüber eine Fülle von blonden Locken. Steffis Vergleich mit einem Weihnachtsengel war gar nicht so abwegig, nur pflegen die auf Bildern (und bei Krippenspielen) immer nachthemdähnliche Gewänder zu tragen, während sich Nastassja für Minirock und Seidentop entschieden hatte. Alles in allem sah sie großartig aus, und das fanden die meisten männlichen Gäste wohl auch. Hannes erzählte uns später, er sei dauernd gefragt worden, wer diese »aufregende Blondine« denn gewesen sei und ob die zu seiner Verwandtschaft gehöre.
Nun kann man Sascha zwar auch nicht gerade als unattraktiv bezeichnen; er ist groß und schlank, kokettiert mit den ersten grauen Haaren, die ja bei den meisten Männern ganz dekorativ wirken (bei uns Frauen werden sie als »Alterserscheinung« bezeichnet!), aber der unbekümmerte Sunnyboy von einst war er nun doch nicht mehr. Und außerdem war er ja auch schon gebraucht, also quasi ein Second-Hand-Man.
»Das ist Nastassja!«, sagte er mit Blick auf seine blonde Seitendeckung, nachdem er mich erst umarmt und dann mit einem angedeuteten Kuss auf die Wange begrüßt hatte. Ich kam mir ein bisschen wie in einem TV -Familiendrama, dritte Fortsetzung, vor und wartete nur noch auf ein gemessenes »Mama (Betonung auf der zweiten Silbe!), darf ich dir meine zukünftige Frau vorstellen?« Stattdessen bekam ich zu hören: »Glaub nicht, dass sie schüchtern ist, das sieht jetzt nur so aus. Ich habe sie zwar vorbereitet, aber zwischen Verwandtschaft auf Fotos und der Realität in Gestalt von drei neugierigen Schwestern besteht eben doch ein Unterschied!«
Das stimmt! Ein Neuling, gleich welchen Geschlechts, hat es immer schwer, in unserer Familie Fuß zu fassen. Er muss ja nicht nur mit seinem(r) Partner(in) klarkommen, sondern auch mit den Geschwistern und deren Anhängseln, und die alle unter
Weitere Kostenlose Bücher