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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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heute so ein Rotzlöffel aus der Sechsten zu mir: ›Ich werde später auch mal Lehrer! Die arbeiten doch nichts, die zwingen doch bloß uns zum Arbeiten!‹«
    »Es ist noch gar nicht so lange her, da hast du eine ähnliche Ansicht vertreten«, erinnerte ich sie. »Weißt du, wo dein Vater ist?«
    »Wahrscheinlich in der Imbissbude. Ist die Pizza da das Einzige, was du als Mittagessen zu bieten hast?«
    »Keineswegs. Du kannst auch noch Frühlingsrolle haben, Reispfanne India, Brokkoli-Käse-Plätzchen …«
    »Sag doch gleich, dass es bloß Tiefkühlfutter gibt.« Sie schälte die Pizza aus der Verpackung und schob sie in den Backofen. »Waren das noch Zeiten, als wir aus der Schule kamen und ein richtiges Mittagessen auf dem Tisch stand!«
    »Das muss damals gewesen sein, als ihr auch noch alles gegessen habt, was ich auf den Tisch gestellt habe«, gab ich zurück. »Und bist nicht überhaupt du diejenige, die es immer ablehnt, zweimal am Tag warm zu essen?«
    »Wieso? Ist heute Abend was Besonderes los?«
    Sollte sie den Polterabend tatsächlich vergessen haben? Sie schrieb sich doch sonst jede Kleinigkeit auf. Es gibt ja spezielle Lehrerkalender (die heißen wirklich so), bei denen jeder Tag in einzelne Stunden aufgeteilt ist, und selbst das ist für Katja noch zu wenig. Da findet man zum Beispiel an einem ganz normalen Wochentag folgende wichtige Eintragungen: 9.45  Uhr kleine Pause, Milchgeld einsammeln, 11.25  Elterngespräch (Vater von Christoph ist Choleriker), 13  Uhr Busaufsicht, 14.35  Tom anrufen wegen Oma, 16 – 17  Uhr Schuhe abholen, Lottozettel wegbringen, Briefmarken, Geburtstagsgeschenk Claudia, evtl. Hamster?, 20  Uhr: Wahrscheinlich Wette verloren. »Vielleicht solltest du mal deine Gedächtnisprothese zu Rate ziehen!«
    »Die ist im Ranzen, und der liegt oben. Nun sag schon, was los ist! Etwa Heldengedenktag, weil ihr schon wieder ein Jahr länger verheiratet seid? Oder weil … halt, ich ahne es! Du hast deine Abrechnung gekriegt und lädst uns zum Abendessen ein!«
    Sie schien wirklich nichts zu wissen! »Hast du tatsächlich vergessen, dass deine Schwester heute poltert?« Mit nachsichtigem Lächeln sah sie mich an. »Määm, das ist morgen! Polterabende finden immer samstags statt!«
    »Aber nicht, wenn das Polterpaar am Samstag selber eingeladen ist.«
    »Scheiße!« Sie raste zum Telefon. Ich hinterher. »Du brauchst keine Bestätigung. Ich habe vorhin mit Steffi telefoniert, und sie hat gesagt …«
    »Ich glaub’ dir’s ja, aber ich muss Tom Bescheid geben. Der denkt doch auch, dass der Auftrieb erst morgen ist, und hat für acht Uhr den Squashcourt gemietet.« Sie tippte die Zahlen ein. »Kannste mal die Pizza aus dem Ofen nehmen?«
    »Die ist doch noch gar nicht gut.«
    »Muss sie auch nicht. Oder glaubst du, ich esse jetzt Fertigfutter, wenn ich mich nachher in die Schlacht ums Büfett stürzen kann? – Hier ist Katja«, meldete sie sich, »kann ich mal Tom … sag doch gleich, dass du selber dran bist! Du, ich habe da was verwechselt! Der Polterabend ist nämlich …«
    Ich hatte den Herd abgeschaltet und stand nun etwas ratlos mit der halbgaren Pizza da. »Was soll ich denn jetzt mit dem Zeug machen?«
    »Biologisch entsorgen!«, empfahl meine Tochter. »Nein, nicht dich!«, rief sie ins Telefon. »Du wirst doch noch gebraucht.«
    Als taktvoller Mensch begab ich mich außer Hörweite auf die Terrasse, wo mir Otto freudig wedelnd einen leicht maroden Rinderknochen vor die Füße legte. Beifallheischend sah er mich an. »Nanu, wo hast du den denn her?«, wollte ich von ihm wissen, denn in letzter Zeit hatte ich ihm derartige Leckerbissen nicht mehr mitgebracht. Gelegentlich bricht bei Otto nämlich so eine Art Eichhörnchentrieb aus, und er legt sich ein Vorratslager an. Dagegen wäre ja auch nichts einzuwenden, wenn er sich nicht gerade den toten Winkel zwischen Schuhschrank und Garderobe dafür aussuchen oder, wie unlängst, seine Beute ganz hinten unterm Sofa verstecken würde. Bei hochsommerlichen Temperaturen machen sich solche Depots doch recht unangenehm bemerkbar.
    Diesmal wieselte Otto in die äußerste Ecke des Gartens, wo Sven die in einer Sperrholzkiste ausgesäte Petersilie abgestellt hatte. Dank der fünf Birken wächst bei uns außer Moos und Unkraut nämlich nichts von dem, was andere Gärten in verschwenderischer Pracht hervorbringen, aber Küchenkräuter sollen ja sogar in ganz normalen Blumenkästen gedeihen. Die Petersilie war auch schon mindestens

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