Schuld war nur die Badewanne
lieber an meinem Schreibtisch säße, denke ich wehmütig an die erste Zeit meiner Ehe zurück. Damals hatte Rolf trotz seines Berufs immer wieder Zeit gefunden, seine junge Frau in die Grundkenntnisse der Kochkunst einzuweihen (nach Ansicht meiner Mutter hätte ich seinerzeit sogar das Teewasser anbrennen lassen), hatte heroisch angebranntes Gemüse hinuntergeschluckt oder klaglos drei Tage lang Reis gekaut, weil ich die Rezeptanweisung »eine Tasse pro Person« großzügig aufgerundet hatte, und wenn ich wieder einmal etwas völlig Undefinierbares (und meistens auch Ungenießbares) zusammengerührt hatte, waren wir zum Italiener gegangen und hatten S
paghetti alla carbonara
gegessen, das war am billigsten gewesen.
Aber heute, wo er doch genügend Zeit hätte, seinem angeblichen Hobby zu frönen und endlich mal die Rezepte auszuprobieren, die er schon vor zwanzig Jahren angefangen hatte zu sammeln, ist davon keine Rede mehr.
»Wo soll ich denn hier frische Zuckererbsen herkriegen?«, heißt es, oder: »Wenn du mir sagst, welcher von unseren vier Läden Merlanfilets führt, stelle ich mich gern mal wieder an den Herd.«
»Es muss ja nicht gleich etwas Exotisches sein. Wie wär’s denn für den Anfang mit einem ganz simplen Gulasch?«
»Meine Güte«, sagte mein Mann angewidert, »das solltest du nun wirklich schon allein können!«
Kürzlich ist mir aber doch mal der Kragen geplatzt. Ich war beim Wäscheaufhängen und jagte gerade quer durch den Garten Otto und der geklauten Socke hinterher, während Rolf grinsend von seiner Lieblingsliege aus den ungleichen Wettlauf verfolgte, als es klingelte. Ein junger Mann wedelte mit einem Fragebogen und behauptete, er mache eine Meinungsumfrage, die in erster Linie Ruheständler beträfe. Dabei sah er mich, die ich keuchend vor ihm stand, fragend an. Ich führte ihn in den Garten und deutete auf die Liege.
»Wir sind kein Ehepaar im Ruhestand. Wir sind ein Mann im Ruhestand und seine Frau!« Abends ging Rolf freiwillig mit dem Hund raus und nahm sogar die Mülltonne mit nach vorne.
Diese Gedanken und noch viele andere gingen mir durch den Kopf, während ich meine Haare so hinzufönen versuchte, wie es der Friseur immer macht. Es klappte nicht. Wieso auch? Der hatte das ja drei Jahre lang gelernt, ich war bloß Amateurin und keine besonders talentierte. Und überhaupt war es gar nicht wichtig, ob meine Frisur vorbildlich war oder nicht, die Hauptperson heute war Steffi, und die saß schon seit acht Uhr im Frisiersalon. Kurz vorher hatte sie noch angerufen. »Weißt du, Määm, mir geht’s überhaupt nicht gut. Ich habe miserabel geschlafen und war schon zum dritten Mal auf dem Klo.«
»Das ist normal«, beruhigte ich sie, »es wird höchstens noch schlimmer.«
»Es ist ja nicht so, dass ich Hannes nicht will, ganz im Gegenteil, ich liebe ihn doch, aber Heiraten ist so was Endgültiges!«
»Das stimmt allerdings. Außerdem ist die Ehe das einzige Meer, für das es noch keinen Kompass gibt.« Das hatte ich mal irgendwo gelesen und sogar behalten, weil es mir gefallen hatte.
»Wenigstens bin ich seefest«, erwiderte meine Tochter. »Nicht umsonst habe ich damals als Einzige den Segeltörn auf der Nordsee durchgestanden, ohne über der Reling zu hängen.« Da war sie sechzehn gewesen! »Na ja«, meinte sie schließlich, »man soll zwar am Hochzeitstag nicht an Scheidung denken, aber es ist doch beruhigend zu wissen, dass es so was gibt. – Jetzt muss ich los. Also tschüss bis nachher!«
»Weißt du, wo meine Manschettenknöpfe sind?«, brüllte Rolf aus dem Nebenzimmer. »Ich kann sie nirgends finden.«
»Wann hast du sie denn zum letzten Mal getragen?«, schrie ich zurück.
»Keine Ahnung, das muss Jahre her sein. Es gibt doch kaum noch Hemden mit Doppelmanschetten.«
»Dann suchst du sie am besten dort, wo du schon seit Jahren aufräumen willst, also zwischen deinen Aquarellfarben oder den unbeantworteten Briefen und vielleicht noch im Regal mit den Gartengeräten.« Ich stellte den Fön ab und besah mich im Spiegel. Na ja, besser als vorher sah ich nicht aus, aber wenigstens auch nicht schlechter. Ein zweites Gesicht schob sich neben meins. »Hast du nicht auch Manschettenknöpfe?«
»Natürlich, aber sie sehen anders aus als die für Männer.«
»Glaubst du, das fällt im Zeitalter der T-Shirts und Polohemden noch jemandem auf?«
Während ich die Perlmuttknöpfe (trägt man so etwas heutzutage überhaupt noch?) in die wie immer viel zu kleinen
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