Schuld war nur die Badewanne
stammten samt und sonders aus den späten Siebzigern, als es noch sehr avantgardistisch war, einen gestreiften Binder zu einem karierten Jackett zu tragen. Mir war das nie so richtig aufgefallen, bis Sven sich mal von seinem Vater einen Kulturstrick leihen wollte. Nachdenklich betrachtete er die drei Reihen gepünktelter, gestreifter oder mit einem dezenten Muster versehenen Krawatten, dann schüttelte er den Kopf. »Bevor ich mir einen dieser fossilen Lappen umwürge, gehe ich lieber ohne. Oder hättest du vielleicht einen Schal für mich, Määm?«
Als ich das nächste Mal mit den Zwillingen auf textiler Einkaufstour war, durften sie für ihren Vater Krawatten kaufen, denn ich sah mich dazu außerstande. Seitdem besitzt er auch welche mit wilden Mustern von Pink bis Kanarienvogelgelb, und auf einer tummeln sich sogar lauter japanische Schriftzeichen. Vielleicht sind es gar keine, aber sie sehen genauso aus.
Aus diesem Sortiment sollte ich jetzt etwas Passendes zum dunkelgrauen Anzug heraussuchen. Blau mit grün? Nein, zu trist. Beige mit Kringeln? Auch nicht, sieht doof aus. Am besten würde sich die Hellviolette eignen, nur erinnert mich das Dessin immer an das geblümte Sofakissen von meiner Großmutter. Egal, außer mir hat es ja keiner gekannt.
Rolf schob den Binder in die Tasche, hängte das Jackett über die Stuhllehne und leitete damit die tägliche Suche nach den Autoschlüsseln ein. Diesmal fand er sie ziemlich schnell auf dem Fensterbrett in der Gästetoilette. »Ich fahre den Wagen doch besser noch durch die Waschanlage. Bis wir in Heidelberg sind, wird davon zwar nichts mehr zu merken sein, aber wenigstens ist es dann frischer Staub.«
Er war kaum weg, als Sven vorfuhr. Auch sein Auto hatte endlich mal wieder Seifenwasser gesehen, das erste seit Monaten. Normalerweise stellt er sein schon ziemlich bejahrtes Vehikel einfach in den Regen und entschuldigt diese arbeitssparende Methode damit, dass nach zu gründlicher Reinigung die Roststellen so auffallen würden. Freundin Tanja, ein blasses Wesen mit langen dunklen Haaren und langen dunklen Fingernägeln, hatte ihr Kleid auf die Wagenfarbe abgestimmt. Sie trug etwas Schlabbriges in Grün, bei dem ich im ersten Moment glaubte, hinten sei der Saum ein Stück abgerissen. Bei näherem Hinsehen merkte ich aber, dass der Rock rundherum zippelte, also musste das wohl so sein. »Fahrt ihr mit uns oder separat?«
»Separat natürlich«, sagte Sven. »Wir wollen doch heute Abend noch nach Mannheim zu dem Open-Air-Konzert.«
Stimmt, er hatte unlängst so etwas erwähnt. Warum auch nicht, im Gegensatz zu den meisten Hochzeiten würde die heutige bereits am frühen Nachmittag enden. Dann nämlich wollte das Brautpaar mit unbekanntem Ziel in seine zweieinhalb Flittertage verschwinden. Nicht einmal Steffi wusste, wohin es gehen würde; Hannes hatte ihr lediglich verraten, dass er ein Zimmer in einem Romantik-Hotel gebucht habe. Die Flitterwochen würden erst in genau siebzehn Tagen beginnen, wenn nämlich die Maschine nach Jamaika startete. Mit an Bord Trauzeugin Margit und Schwiegermutter Evelyn. Endlose Debatten hatten vorher stattgefunden, denn sowohl Margit als auch ich hatten diese Reise natürlich stornieren wollen. Als wir sie Anfang des Jahres gebucht hatten, war sie als Urlaub gedacht gewesen und nicht als Honeymoon! Und dabei kann man nun wirklich keine Freundin gebrauchen, selbst wenn es die beste ist, und erst recht keine Schwiegermutter!
»Ich mache mich doch nicht lächerlich!«, hatte ich protestiert.
»Schwiegermütter sind ohnehin schon beliebte Witzblattfiguren, aber eine Schwiegermutter, die mit auf Hochzeitsreise geht, wäre vermutlich ein Novum und ein gefundenes Fressen für die Karikaturisten.«
»Stimmt gar nicht«, hatte Steffi gesagt, »oder hast du Loriots ›Ödipussy‹ nicht gesehen? Da hat seine Mutter zum Schluss doch auch mit im Auto gesessen.«
»Dort könnte man sie ja notfalls unterwegs rausschmeißen, im Flieger geht das schlecht.«
Hannes, der eigentlich am meisten Betroffene, war schließlich energisch geworden. »Was stellst du dir eigentlich unter Flitterwochen vor?«, hatte er gefragt und mich süffisant angegrinst. »Deine Tochter und ich leben seit einem Dreivierteljahr zusammen und das keineswegs in getrennten Zimmern! Also hör jetzt auf mit diesem dummen Gequassel von wegen trauter Zweisamkeit und so weiter, das mag ja zu deiner Zeit noch gepasst haben, als man bis zum Hochzeitstag einen Anstandswauwau brauchte
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