Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
halten, oder kaufen wir im Supermarkt lieber gleich eine ganze Flasche Kognak? – Der Müll liegt übrigens immer noch da.« Sie zeigte auf die sanft vor sich hinmüffelnde Plastiktüte, dann sah sie mich aufmunternd an. »Nu werd bloß nicht trübsinnig! Du weißt doch, auch ein Tritt in den Hintern kann ein Denkanstoß sein.« Vorsichtig kurvte sie rückwärts vom Parkplatz. »Jetzt fahren wir erst mal zu den Omas! Die sind bestimmt friedlicher.«
    Senioren mag ich, und das nicht nur, weil ich diesen Status inzwischen auch erreicht habe. Senioren freuen sich, wenn man ihnen etwas vorliest, sie lachen an den richtigen Stellen, und vor allem sehen sie nicht dauernd auf die Uhr. Außerdem haben die meisten von ihnen Enkelkinder. Zwischenrufe wie »Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich behaupten, Sie haben gerade unseren Kevin-Carlos beschrieben!«, sind nicht selten.
    Gerswalde ist ein Dorf, aus dem man schon wieder draußen ist, wenn man gerade erst reinfährt. Klein und verträumt lag es in der Mittagssonne, im Schatten einer blühenden Kastanie plätscherte der Dorfbrunnen, drumherum standen Bänke – eine richtige Lesebuch-Idylle. »Bist du beleidigt, wenn ich nachher hier draußen warte, oder muss ich wieder mit rein?«
    Natürlich war ich nicht beleidigt, ich hätte mich auch lieber in die Sonne gesetzt, aber die Senioren warteten. Sie warteten im »Rat der Gemeinde«. Den fanden wir nicht. Nach der zweiten Ortsdurchquerung parkte Steffi erneut vor dem Brunnen. »Rat der Gemeinde, was soll das überhaupt sein? Ein Gebäude, eine Institution? Oder bloß wieder so ein Relikt aus DDR -Zeiten? Wahrscheinlich heißt das inzwischen ganz anders.«
    Aus dem gegenüberliegenden Fachwerkhaus stürmte eine Dame mittleren Alters heraus. »Dann habe ich doch richtig geguckt!«, rief sie schon von weitem. »Wenn hier ein Auto zweimal durchfährt, kann es nur ein fremdes sein. Sie sind doch Frau Sanders, nicht wahr? Wir warten alle schon sehnsüchtig auf Sie!«
    Na, wenn das keine Begrüßung war! Wie viele Personen mich so sehnsüchtig erwarteten, wollte ich gar nicht erst wissen, aber vielleicht hatten sich diesmal ein paar mehr eingefunden. Ich bleibe immer Optimist! Wenigstens so lange, bis mich die Realität eingeholt hat.
    Lautes Stimmengewirr vernahm ich schon, bevor ich den Fuß auf die unterste Stufe gesetzt hatte. »Das hört sich ja ganz vielversprechend an.«
    Meine Begleiterin lächelte nur. »Warten Sie erst mal ab, bis wir drin sind!« Sie öffnete die Tür, und dann sah ich nur noch Gesichter. Die zwei ineinandergehenden Räume waren bis zum letzten Winkel mit Stühlen vollgestellt, und alle waren besetzt. Nicht mal ein Weg zum Durchgehen war freigeblieben.
    »Wir haben schon befürchtet, Sie würden uns nicht finden«, rief eine alte Dame mit Kringellöckchen, »dabei freuen wir uns schon seit Tagen auf Ihren Besuch.«
    Das war nicht zu übersehen. Ich hätte Affenarme gebraucht, um alle entgegengestreckten Hände schütteln zu können, meine reichten nur bis zur dritten Reihe. »Und was ist mit uns?«, kam eine unsichtbare Stimme aus dem Nebenraum, »wir können Sie ja gar nicht sehen.«
    »Hier, nimm mal meinen Taschenspiegel, Herta«, empfahl eine zweite.
    »Nachher wird Frau Sanders bestimmt auch zu Ihnen kommen«, versprach meine Gastgeberin, wobei mir allerdings nicht klar war, wie ich das wohl bewerkstelligen sollte. »Ach ja, noch etwas: Wer noch mal auf die Toilette will, sollte es jetzt tun, während der Lesung kommt nämlich keiner durch.«
    Niemand wollte. Also schlug ich mein Buch auf, und als ich es nach einer Stunde wieder zuklappte, ertönte sofort Protest. »Nur noch ein paar Seiten!« – »Ach bitte, noch zehn Minuten.« – »Haben Sie nicht noch ein bisschen Zeit?«
    Ich gab mich geschlagen. »Na gut, für ein kurzes Kapitel reicht sie, doch um sechs Uhr muss ich wieder in Templin sein.«
    »Frau Sanders soll doch noch mit uns Kaffee trinken!«, tönte es aus dem Nebenzimmer.
    »Das schafft sie dreimal«, behauptete der einzige Mann im Raum, mit Sicherheit des Autofahrens kundig, »die paar Kilometer …«
    Nach einer weiteren Viertelstunde waren meine Zuhörer endlich zufrieden. Geschirrklappern unterbrach den langanhaltenden Beifall, und während ich auf allgemeinen Wunsch Stefanie heraufholte, wurde eine Kaffeetafel aufgebaut. Ich weiß nicht, woher plötzlich die Tische gekommen waren. Dicke altmodische Kaffeekannen standen darauf, Tassen mit Blümchenmuster oder

Weitere Kostenlose Bücher