Schuld war nur die Badewanne
Hatte nicht erst unlängst eine Leserin geschrieben, sie habe immer einige Bücher von mir auf ihrem Nachttisch liegen? Das sollte eigentlich zu denken geben!
Unser Abendessen nahmen wir diesmal nicht auf der Bettkante ein, es wurde uns vielmehr im »Chalet« von einem höflichen Kellner nach allen Regeln der gehobenen Gastronomie serviert.
»Ich habe mich schon gewundert, dass das Restaurant so voll ist«, sagte Steffi beim Hinausgehen, »doch vermutlich ist es das einzige Lokal, in dem man anständig essen kann. Ob man hier auch ein normales Frühstück kriegt? Ich meine, eins ohne Bon.«
Das würde sich ja klären lassen. An der Rezeption stand immer noch dasselbe junge Mädchen, das uns schon morgens verabschiedet hatte.
»Für Sie existiert der Achtstundentag wohl auch nur auf dem Papier?« Irgendwas muss man ja reden, während man auf seinen Schlüssel wartet.
»Über Mittag habe ich ein paar Stunden frei.« Sie hatte den Schlüssel gefunden und schob ihn über den Tresen. »Ich arbeite ja gern, nur, wenn kaum Gäste da sind, ist es manchmal etwas langweilig.«
Keine Gäste, aha. Ob ich da mal so ein ganz kleines bisschen einhaken sollte? »Wir haben eben in Ihrem Restaurant drüben ganz hervorragend gegessen, und dabei ist mir der Unterschied zu heute Morgen aufgefallen. Da bin ich mir nämlich vorgekommen wie in einer Werkskantine. Iss, was man dir auf den Teller packt, und wenn’s dir nicht schmeckt, hast du eben Pech gehabt.«
Erschrocken sah sie mich an. »Hatten Sie etwas zu beanstanden?«
»Nicht direkt.« Jetzt machte ich schon wieder einen Rückzieher. »Oder doch. Ich habe den Eindruck, Sie servieren das Frühstück noch genauso, wie Sie es früher gemacht haben, als dieses Haus ein staatliches Ferienheim gewesen ist, aber Hotelgästen können Sie das nicht mehr zumuten.«
»Was machen wir denn falsch? Sagen Sie es ruhig, wir sind für jeden Tipp dankbar.«
Na, wenn die Sache so aussah! Jetzt wurde ich richtig mutig. »Üblich ist ein Frühstücksbüfett, von dem sich jeder das holt, was er möchte, doch dieser Aufwand lohnt sich erst dann, wenn man genügend Gäste hat. Aber Sie sollten wenigstens ein Glas Saft anbieten, verschiedene Marmeladensorten und einen separaten Aufschnitt-Teller.«
»Nimmt dann nicht jeder alles mit, was er nicht aufessen kann?«, fragte sie erstaunt.
Ich war genauso verblüfft. »Meinen Sie etwa, als Marschverpflegung?«
»So was Ähnliches. Oder für zu Hause.« Sie schüttelte den Kopf. »Sie glauben ja gar nicht, was früher hier alles weggeschleppt worden ist. Die Leute haben uns sogar die Toilettenbrillen abgeschraubt.«
»Iiihhh!«, brüllte Steffi los. Mehr konnte sie nicht sagen, weil sie ihr Schienbein reiben musste.
»Ich bin ziemlich viel unterwegs«, nahm ich den Faden wieder auf, »aber ich habe noch in keinem Hotel gesehen, dass jemand die Käseplatte abgeräumt oder eine Handvoll Marmeladen-Packungen in die Tasche gesteckt hat. Diese Zeiten dürften endgültig vorbei sein.«
»Meinen Sie wirklich?«
»Ja!«, versicherte ich so glaubhaft wie möglich, dabei hatte ich in Israel selbst erlebt, wie Mitglieder einer deutschen Reisegruppe stapelweise Stullen geschmiert und als Proviant für den geplanten Tagesausflug eingepackt hatten. Dann fiel mir aber noch etwas ein.
»Sie sollten Ihren Gästen nicht nur eine bereits gefüllte und folglich lauwarme Tasse Kaffee hinstellen. Es ist üblich, dass ein Kännchen serviert wird, und wer noch mehr Kaffee möchte, bekommt ihn selbstverständlich. Und zwar ohne Aufpreis. Außerdem gehören Zucker und Sahne auf den Tisch, aber nicht einzeln abgezählt.«
»Und das alles für fünf Mark?«, fragte sie entsetzt.
»Bei entsprechender Leistung können Sie den Preis natürlich hinaufsetzen. Bei uns – äh, ich meine in Westdeutschland zahlt man ja auch entschieden mehr für ein Frühstück.«
So richtig überzeugt hatte ich sie nicht. »Das muss ich erst mal durchrechnen.«
War ich zu direkt gewesen? Hätte ich nicht doch besser den Mund halten sollen? »Hoffentlich nehmen Sie mir meine Offenheit nicht übel.«
»Ganz im Gegenteil«, beteuerte sie. »Ich bin zwar mal drüben gewesen, gleich nachdem die Mauer gefallen war, aber da habe ich bei Verwandten gewohnt und gar keine Gelegenheit gehabt, in ein Restaurant zu gehen. Das Geld dazu allerdings auch nicht. Ich fand nur alles furchtbar teuer.«
Ein paar Minuten lang unterhielten wir uns noch über weniger verfängliche Themen, doch dann gähnte
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