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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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auch mal ganz moderne, und dazu gab es Kuchen, wie ihn nur richtige Omas backen können. Ich glaube, zu diesem Kaffeeklatsch hatte jeder etwas beigesteuert.
    Nur schwer habe ich mich von dieser gemütlichen Runde getrennt, doch die nächsten Senioren warteten schon. In Templin. Im Altenheim.
    »Wenn das so weitergeht, können wir uns ganz gut durchfressen«, sagte Steffi, immer noch kauend, auf der Treppe. »Ich habe mir von der weißhaarigen Dame das Rezept für den Streuselkuchen geben lassen.« Sie zog einen Zettel aus der Hosentasche. »Meinste, dass du den auch so hinkriegst?«
    Ich sah kurz auf das Gekritzel und schüttelte den Kopf.
    »Warum nicht?«
    »Bei uns gibt es keinen Rahm zu kaufen, da steht immer
Sahne
drauf.«
     
    Im Gegensatz zu den hiesigen Verwahranstalten, die als »Wohnheim« oder – noch hochtrabender – als »Seniorenstift« apostrophiert werden, heißen sie in der ehemaligen DDR immer noch Altenheim. Und genauso sah dieser triste Plattenbau auch aus. Zusätzlich beherbergte er die Kreispflegeanstalt. »Hier in der Gegend muss ein gesundheitsförderndes Klima herrschen, oder wo kommen sonst so viele alte Menschen her?« Steffi musterte den riesigen grauen Kasten von oben bis unten, dann druckste sie ein bisschen herum. »Moralische Unterstützung brauchst du doch nicht, oder? In der Zwischenzeit könnte ich nämlich einiges erledigen. Erst in die Post zum Telefonieren, tanken muss ich, und vielleicht kann ich ja sogar eine Haarbürste auftreiben. Meine habe ich nämlich vergessen.«
    »Sieh zu, dass du endlich die Mülltüte loswirst, sie fängt an zu stinken!« Ich raffte meine Bücher zusammen und stieg aus. »In spätestens anderthalb Stunden kannst du mich wieder einsammeln.«
    »Roger.« Sie schlug die Tür zu, kurbelte aber sofort das Fenster herunter. »Was ich noch sagen wollte: Guten Appetit!«
    ???
    »Fürs Abendessen!« Weg war sie.
    Schon beim Betreten des »Veranstaltungs-Saales« wurde mir klar, dass diese Senioren keine Ähnlichkeit hatten mit dem munteren Kaffeekränzchen vom Nachmittag. Hier saßen abgestumpfte, resignierte Menschen mit größtenteils leeren Gesichtern um einen langen Tisch herum. Bei manchen hatte ich den Eindruck, dass sie gar nicht wussten, weshalb sie gekommen waren. Zwei Schwestern passten auf, dass niemand den Raum verließ, eine dritte spulte die Begrüßung herunter.
    Diesmal hatte ich einen Text herausgesucht, der den Besuch meiner etwas anstrengenden Tante Lotti schilderte, seinerzeit auch den Senioren zuzurechnen. Schon nach dem zweiten Satz wurde ich unterbrochen. »Ich habe auch eine Tante«, murmelte es von links, »aber die ist tot.«
    Hm, na ja. »Tante Lotti lebt auch nicht mehr«, beeilte ich mich zu erklären. Dann las ich weiter. Die Ernährungsgewohnheiten von Tante Lotti forderten die nächste Unterbrechung heraus. Ein alter Mann schlug plötzlich mit der Faust auf den Tisch. »Ich will jetzt mein Abendessen haben!«
    »Aber, aber, Opa Müller, wir haben doch schon gegessen«, erinnerte eine der Schwestern.
    »Ich will mein Essen haben!«, beharrte Opa Müller. Er trommelte so lange mit beiden Fäusten auf den Tisch, bis er hinausgeführt wurde. Jetzt waren es noch neunzehn Personen, die mehr oder weniger – meist weniger – aufmerksam zuhörten. Wenig später linste ich über den Rand meines Buches und musste feststellen, dass das halbe Auditorium bereits schlief. Die andere Hälfte war dicht davor.
    Irgendwie kam mir die Situation bekannt vor. Richtig, damals in der Gegend von Würzburg, wohin mich der Landfrauenverband eingeladen hatte, um seinen Mitgliedern einen fröhlichen Abend zu gönnen. Nur hatte man die Landfrauen schon am Vormittag zwecks Besichtigung einer Großmolkerei durch die Gegend gekarrt, am Nachmittag hatten sie eine Schnapsbrennerei besucht, und nun sollten sie noch einen »literarischen Abschluss« bekommen. Zur Unterstützung der geistigen Aufnahmefähigkeit, die aufgrund der vorangegangenen Eindrücke schon reichlich strapaziert gewesen war, wurde neuer Wein ausgeschenkt. Der hatte den ohnehin ermüdeten Landfrauen dann endgültig den Rest gegeben.
    Obwohl ich sicher sein konnte, dass die vor mir schlummernden Senioren stocknüchtern waren, hatte die Schläfrigkeit sie übermannt. »Sie müssen das verstehen«, flüsterte die andere Schwester, »die meisten unserer Patienten gehen um diese Zeit ins Bett.«
    Um halb sieben? Und wieso Patienten? Die sahen doch alle recht gesund aus. »Ich glaube, es ist

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