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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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besser, wenn ich Schluss mache, meinen Sie nicht auch?«
    Die Schwester nickte zustimmend, bedankte sich im Namen aller Anwesenden für mein Kommen, und dann war ich entlassen. Nach genau 35  Minuten. Und Steffi würde frühestens in einer Stunde da sein! Zum Glück war das Wetter schön, doch nachdem ich zum sechsten Mal die Straße bis zur Kreuzung hin- und wieder zurückgepilgert war und jeden Blumentopf auf den Fensterbrettern der umliegenden Wohnblocks hätte beschreiben können, wurde ich unruhig. Wo, zum Kuckuck, blieb Steffi? Selbst unter Zubilligung des akademischen Viertels hätte sie längst da sein müssen. – Endlich ein rotes Auto! Nein, ist bloß ein Wartburg. Aber da hinten, das muss sie sein! Wieder nicht, biegt nach links ab. Aller guten Dinge sind bekanntlich drei, der nächste rote Wagen muss also meiner sein! Es kamen gleich zwei hintereinander (noch nie war mir aufgefallen, dass es so viele rote Autos gibt), aber beide fuhren vorbei. Da musste doch etwas passiert sein!!!
    Mit genau 51  Minuten Verspätung schoss sie um die Ecke und blieb mit knirschenden Reifen neben mir stehen. »Wartest du schon lange?«
    Es gibt auch heute noch bei mir Momente, in denen die niedrigen Instinkte durchbrechen; am liebsten hätte ich meiner sechsundzwanzig Jahre alten, fröhlich grinsenden Tochter eine runtergehauen! Vielleicht hätte ich es sogar getan, wäre die Tür nicht noch verriegelt gewesen. »Würdest du mir mal verraten, wo du so lange …«
    »Mach ich«, sagte sie, räumte den Beifahrersitz von irgendwelchen Papieren frei und ließ mich einsteigen. »Fällt dir nichts auf?«
    Ich sah mich um, konnte aber nichts entdecken. Oder doch. »Der Müll ist weg.«
    »Den habe ich am Marktplatz in den Papierkorb geschmissen. Nein, ich meine doch, von außen.«
    »Wie soll ich außen was sehen, wenn ich drinsitze?«
    »Der Wagen ist wieder sauber!«, verkündete sie stolz. »Ich habe ihn durch die Waschanlage gejagt.«
    »Und das hat zwei Stunden gedauert?«
    »Wenn vierzehn Autos vor einem stehen – ja!«
    Ich hatte gerade tief Luft geholt, um in einem Atemzug das sagen zu können, was ich ihr an den Kopf werfen wollte, als sie schon losblubberte: »Am besten erzähle ich von Anfang an. Als ich in der Post endlich ein intaktes Telefon hatte, ging zu Hause keiner ran (der bereits erwähnte Anrufbeantworter ist erst neueren Datums). Da habe ich eben ein Telegramm geschickt, sonst glauben die wirklich, wir sind verschüttgegangen. Danach habe ich eine Tankstelle gesucht und sogar gefunden. Daneben war eine funkelnagelneue Waschanlage. Zeit genug hatte ich ja, und der Wagen hat es wirklich nötig gehabt. Also habe ich mich angestellt.«
    »Hinter vierzehn andere Autos?«
    »Die habe ich doch gar nicht gesehen! Das heißt, gesehen habe ich sie schon, aber ich habe gedacht, die wollen bloß tanken. Am Anfang lief nämlich alles nur einspurig. Dann stellte sich hinter mich ein Wagen aus Wuppertal, wir sind ins Quatschen gekommen, und da habe ich einfach nicht mehr auf die Zeit geachtet. Biste nu sehr böse?«
    »Es geht.« Dabei war ich froh, dass nichts passiert war.
    »Ob du’s glaubst oder nicht, Määm, da sind Autos durchgefahren, auf denen nicht ein Staubkrümel zu sehen war. Die Fahrer wollten nur die Waschstraße ausprobieren. Hat es so was hier früher wirklich nicht gegeben? Ich habe mich bloß die ganze Zeit gewundert, dass die Trabis nicht alle aufgeweicht sind.«
    »Sei nicht so aufgeblasen! Es stimmt ja, dass mit diesen Plastikautos nicht viel los ist, aber wasserdicht sind sie schon immer gewesen.«
    Schnell wechselte sie das Thema. »Erzähl doch mal, wie es bei dir gewesen ist. Hat das Abendessen geschmeckt?«
    Sie begriff gar nicht, weshalb ich plötzlich vor mich hin kicherte, doch nachdem ich sehr blumenreich meinen Auftritt im Altenheim geschildert hatte, fing sie ebenfalls an zu lachen. »Soll ich mal ganz ehrlich sein? Das Benzin hätte morgen noch gereicht, aber als ich vorhin auf der Hinweistafel auch das Wort
Psychiatrie
gelesen habe, da hat’s bei mir ausgeklinkt. Nur deshalb habe ich mich abgeseilt.«
    »Und du hast mir nichts davon gesagt?« Irgendwie musste mir das Schild entgangen sein, aber wenigstens erklärte es einiges.
    »Wärst du denn trotzdem hingegangen?«
    »Natürlich, nur hätte ich hinterher nicht eine Stunde lang grübeln müssen, weshalb ich plötzlich so einschläfernd wirke und ob ich statt zu Lesungen nicht besser zum Rundfunk gehen sollte. Als Sandmännchen.«

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