Schuld war nur die Badewanne
Steffi so betont unauffällig, dass es schon wieder auffällig war. Wohlversehen mit den besten Wünschen für eine angenehme Nachtruhe stiegen wir die Treppe hinauf. Mein erster Blick galt der Zimmerdecke. »Was meinst du, Steffi, irre ich mich, oder ist das Loch größer geworden?«
Sie kletterte aufs Bett, um den fraglichen Bereich genau zu überprüfen. »Du hast recht. Der Abstand zwischen dem Verputz und der Stelle, wo er eigentlich dransitzen sollte, hat sich vergrößert. Vielleicht solltest du mit dem Kopf am Fußende schlafen. Wenn da was drauffällt, ist es nicht so schlimm,
ich
fahre ja das Auto.«
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Geburtstagsparty im »Löwen«-Haus
A b heute wohnen wir privat«, tröstete ich Steffi, die fluchend vor der Toilette stand und versuchte, die abgerissene Kette zusammenzuknoten.
»Mir egal. Schlimmer, als in dieser Kaserne kann es woanders auch nicht sein. Gib mir mal die Nagelschere, vielleicht kann ich die Ösen etwas auseinanderbiegen …« Sie fummelte so lange herum, bis die Spülung wieder intakt war. Zumindest optisch. »Am liebsten würde ich jetzt mit dem Kleiderbügel noch den Putz abkloppen.« Tatendurstig sah sie an die Zimmerdecke. »Ob die hier versichert sind? Ich meine, wenn du nachher ein bisschen humpelst …?«
Als wir wenig später unsere Koffer über den Flur zogen, fiel ihr noch etwas ein. »Was glaubst du, lassen die uns so raus, oder müssen wir erst durch die Gepäckkontrolle? Die Klobrille hat doch noch ganz passabel ausgesehen und die Nachttischlampe auch. – Hast du unseren Behelfsaschenbecher mitgenommen?« Gestern hatten wir die Zigarettenkippen in einem der Sandkübel entsorgt, heute ging das nicht mehr. Unübersehbar prangte ein Schild daneben:
Nur zur Brandbekämpfung!
»Man sollte ihnen vielleicht mal sagen, dass es inzwischen solche handlichen Geräte gibt, die man Feuerlöscher nennt.« Steffi nahm mir den Dosendeckel ab, grub eine Vertiefung in den Sand, kippte die Asche hinein und buddelte sie zu. »Man muss sich nur zu helfen wissen.«
Die Rezeption war nicht besetzt, die Rechnung hatte ich schon gestern bezahlt, also verließen wir die gastliche Stätte ohne Abschied.
»Wollen wir nicht besser gleich in das Café am Markt fahren?«
Eine gebürtige Schwäbin bin ich nicht, wohne jedoch schon seit zwei Jahrzehnten im Land der Sparsamkeit, und das hat abgefärbt.
Getreu der Devise »Des hemmer zahlt, des esset mer au!«, lehnte ich Steffis verschwenderisches Ansinnen rundheraus ab. Zum Glück! Uns erwartete nämlich ein hübsch gedeckter Tisch, auf dem alles dastand, was ich gestern aufgezählt hatte. »Donnerwetter!«, staunte meine Tochter. »Sogar Honig ist da.«
Als sie den Kaffee brachte (zwei Kännchen!), zwinkerte uns die Bedienung zu. »Wenn Sie noch mehr möchten, sagen Sie es nur.«
»Vielen Dank, aber zwei Tassen sind genug.« Sie verschwand, und Steffi griff in den Brotkorb. »Siehste, ich wusste doch, dass du gestern was ausgelassen hast! Die Brötchen! Diesmal sind es aufgebackene von vorgestern. Warum haben sie keine von heute?«
»Die gibt’s morgen.«
Unser erstes Ziel hieß Gramzow. »Schon wieder ’ne Schule«, stöhnte meine Chauffeuse, »da muss doch jemand auf’m falschen Dampfer gewesen sein! Seit wann schreibst du Kinderbücher?«
Mich hatte dieser abgeänderte Veranstaltungsplan ebenfalls gewundert. Zugegeben, die Titel meiner Bücher können manchmal etwas irreführend sein, doch ich hatte eigentlich vorausgesetzt, dass jemand auch mal reingeguckt hatte, bevor er mich offenbar in die Kategorie »geeignet für die Maul- und Meckerphase« einordnete.
Diesmal waren es Vierzehnjährige, die lärmend ins Klassenzimmer stürmten, größtenteils mit Walkman in der Tasche und Knopf im Ohr, nicht gewillt, auf die Musikberieselung zu verzichten.
Eine Lehrerin griff ein. »Wenn ihr nicht wollt, geht es auch anders! Ich schlage vor, Frau Sanders geht spazieren, und ihr schreibt inzwischen eine Grammatikarbeit. Bis zum Ende der großen Pause habt ihr Zeit.«
Das wollten sie nun doch nicht. Dann schon lieber zuhören, auch wenn’s einen gar nicht interessiert. Bald stellte ich fest, dass sie doch ganz lustig fanden, was Sven und Sascha im Ferienlager erlebt hatten, und das Chaos während der Wohnungsrenovierung konnten sie auch nachempfinden. Als es zur Pause läutete, hörte ich sogar ein mehrstimmiges »Schade! Gerade jetzt, wo es so spannend wird.«
»Ihr könnt euch das Buch ja in der Bibliothek ausleihen«, empfahl die
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