Schuld war nur die Badewanne
zumachen. Und wir steh’n auf der Straße. – Frollein, hier hätten Se links abbiegen müssen! Na, nich so schlimm, da hinten kommt gleich Aldi, die hab’n so’n großen Parkplatz zum Umdrehen.«
»Erst kommt das Fressen und dann die Kultur«, murmelte Steffi, »ist zwar nicht originalgetreu, stimmt aber trotzdem. Was meinst du, Määm, wenn wir schon vor diesem Konsumtempel stehen, sollten wir dann nicht für heute Abend ein paar Flaschen Wein mitnehmen.«
»Könn’ Se das nich nachher machen? Wir sind sowieso schon zu spät dran.«
Das war mir nur recht. Ich habe nichts gegen Aldi, aber ich habe sehr viel gegen unbekannte Weine.
Wir hätten uns gar nicht zu beeilen brauchen. Mein Auditorium saß draußen in der Sonne und machte nicht die geringsten Anstalten, die bequemen Korbstühle mit dem Plastikmobiliar in der Gemeindebaracke zu vertauschen. »Warum bleiben wir nicht hier?«, fragte eine der vier anwesenden Damen. »Oder möchten Sie lieber reingehen?«
Das nun bestimmt nicht, zumal ich mich selbst mit einem ausgewachsenen Katarrh hier draußen hätte verständlich machen können, aber wollte ich das überhaupt? Sogar Frau Krimmel war irritiert. »Das verstehe ich nicht. Wo sind denn die anderen alle?«
»Auf’m Ausflug mit dem Herrn Pfarrer«, kam es prompt zurück. »Ich wollte ja auch mit, aber mein Bein macht wieder Scherereien.« Mit anklagender Miene zeigte die schon recht betagte Dame auf ihren dick umwickelten Fuß. »Dabei soll’s Kaffee und Kuchen geben, ganz für umsonst.«
Einen Moment lang überlegte ich, ob ich das Kleeblatt nicht kurzerhand in die nächste Konditorei einladen sollte, doch gesetzt den Fall, es würde eine geben, wie sollten wir dort hinkommen? Mit nur einem Auto war das unmöglich.
»Willst du jetzt tatsächlich vorlesen?«, wisperte Steffi, als ich meine Bücher aus der Mappe zog. »Die sehen überhaupt nicht kulturbeflissen aus.«
»Aber erwartungsvoll!«
»Du gibst wohl nie auf?«
Steffi hatte recht. An einer Lesung waren die vier alten Leutchen wirklich nicht interessiert, sie suchten Unterhaltung, ein bisschen Abwechslung in ihrem tristen Rentnerdasein, und es war ihnen völlig egal, in welcher Form jemand dazu beitrug. Man hatte ihnen einen »vergnüglichen Nachmittag« versprochen, also waren sie gekommen. Dass ich mit dem konkurrierenden Herrn Pfarrer nicht mithalten konnte, der seine Schäflein nicht nur per Bus durch die Gegend karren, sondern zusätzlich noch abfüttern ließ, war nur zu begreiflich. Und genau dieses Thema schien das Kleeblatt besonders zu beschäftigen.
»Die Magda is nich echt, das habe ich schon immer gewusst«, teilte die mit dem umwickelten Bein ihren interessiert lauschenden Freundinnen mit, »sie hat mir extra gesagt, dass sie nich fährt, sondern herkommt, und nu isse doch wieder mit.«
»Aber bloß, weil sich der olle Zausel aus’m Altersheim auch angemeldet hat«, wusste eine andere zu berichten. »Ich möchte bloß mal wissen, wie sie das rausgekriegt hat.«
»Die steckt doch immer mit der Paula vom Pfarramt zusammen«, sagte die erste Greisin sofort, »da isses doch ganz klar, woher sie immer die ganzen Sachen weiß. Na ja, und hinter dem Sawatzky mit seiner schönen Rente isse ja schon lange her.«
Jetzt griff Frau Krimmel ein: »Also, ich glaube nicht, dass die Frau Sanders eure Tratschereien interessiert. Soll sie nu lesen, oder soll sie wieder nach Hause fahren?«
Nein, das nun auch nicht. Die etwas verhuschelten alten Mädchen setzten sich in Positur, eine holte sogar ihre Brille aus der Schürzentasche, und dann versuchte ich es noch mal mit Tante Lotti. Beifälliges Nicken nach jedem dritten Satz und Randbemerkungen wie: »Meine Kusine is genauso; immer hat sie’s mit’m Magen, aber fressen kann sie wie’n Scheunendrescher!«, oder »Ich hab mal ’ne Tante gehabt, die hat einen ›von‹ geheiratet, und denn hat se ihre ganze Verwandtschaft nich mehr gekannt, weil wir ja nich standesgemäß waren«, zeigten mir, dass ich nicht nur aufmerksame Zuhörer, sondern auch noch das richtige Kapitel ausgesucht hatte. Doch später erzählte mir Steffi, dass eine der vier Grazien zwischendurch mal kurz weggenickt, von ihrer Nachbarin mittels kräftiger Rippenstöße jedoch sofort wieder zur Ordnung gerufen worden war.
Nach einer Dreiviertelstunde fanden sowohl meine Zuhörerinnen als auch ich selber, dass der Kultur Genüge getan war und wir uns nunmehr profaneren Dingen zuwenden könnten. Ich wollte weg, die Damen
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