Schuld war nur die Badewanne
Einheimischen aus.
Noch bevor wir unser Gepäck aus dem Kofferraum gehievt hatten, öffnete sich die Haustür, und eine nicht mehr ganz junge Dame eilte die Stufen herab. Erst beim Näherkommen merkte ich, dass sie die Fünfzig auch schon überschritten haben musste. »Herzlich willkommen!«, rief sie schon von weitem. »Lassen Sie die Koffer ruhig stehen, die holt mein Mann gleich herein.«
»Ach wo«, sagte Nicki, »die sind nich schwer, das schaffen wir schon allein. Vielen Dank.«
Frau Flöß griff aber doch mit zu, hob den Rucksack an und – ließ ihn sofort wieder fallen. »Du lieber Himmel, was haben Sie denn da drin? Die Reste der Berliner Mauer?«
»Nein, Bücher«, beeilte sich Nicki zu erklären, »ich muss ein bisschen was tun.«
»Sie büffelt fürs Examen«, ergänzte ich, »zu Hause hat sie dazu offenbar keine Zeit.« Schon heute früh hatte mir meine Tochter eröffnet, dass sie mich selbstverständlich überall hinfahren werde, sich allerdings weigere, an den Lesungen teilzunehmen. »Die Zeit kann ich nun wirklich besser nützen!« Dem konnte ich schlecht widersprechen, und so lagen künftig auf dem Rücksitz neben meinen Büchern auch gelehrte pädagogische Werke. Sie waren nicht nur inhaltsschwerer als meine, sondern vor allem gewichtiger.
Unsere Gastgeberin führte uns in den ersten Stock ihres Hauses und dort in ein großes Zimmer mit zwei bequem aussehenden Betten, einer gemütlichen Sitzecke und sogar einem Waschbecken. »Gleich gegenüber ist das Bad«, sagte sie, »und wenn Sie schnell mal mitkommen, dann zeige ich Ihnen auch das Frühstückszimmer.«
Dazu mussten wir eine Treppe tiefer in einen hellen, freundlichen Raum, an den sich eine rundherum verglaste Veranda anschloss. »Wenn Sie arbeiten wollen, dann setzen Sie sich doch hierher«, wandte sie sich an Nicki, »da stört Sie niemand. Sollte es Ihnen zu warm werden, machen Sie einfach die Fenster auf.«
»O ja, gerne!« Ich sah es meiner Tochter an, dass sie am liebsten gleich sitzen geblieben wäre, aber erst einmal hatten wir unseren hausfraulichen Pflichten nachzukommen: Hosen bügeln! Unterwegs trage ich meistens Jeans, doch bei öffentlichen Auftritten unterwerfe ich mich notgedrungen der gängigen Kleiderordnung und ziehe etwas an, das im Familienjargon als »aufgebrezelt« bezeichnet wird, also kompletten Hosenanzug oder sportliche Kombination, selten einen Rock und niemals etwas von dem, was im Allgemeinen unter den Sammelbegriff
Für festliche Stunden
fällt. Nun haben Hosen leider einen gravierenden Nachteil, nämlich Bügelfalten. Angeblich schlafen auch heute noch manche männlichen Singles mit ihrer Hose unter der Matratze, obwohl es ja inzwischen eine Menge nützlicher Geräte gibt, die »überall mühelos messerscharfe Bügelfalten« garantieren. Und genau so ein nützliches Gerät hatte mir Steffi vom Mannheimer Maimarkt mitgebracht. Es besteht aus einem Plastikteil in Form eines Schiffchens mit Sonnensegel – nur etwas kleiner! –, und wenn man am Griff herumschiebt, entsteht eine Öffnung, in die man Wasser gießen muss. Dazu kommt noch eine gehäufte Messerspitze voll Salz, ein Artikel, der normalerweise nicht zum üblichen Reisegepäck gehört. Deshalb vergisst man auch, ihn mitzunehmen, und muss ihn später aus der Hotelküche holen oder schlimmstenfalls mal unauffällig im Speisesaal besorgen. Salzstreuer werden gewöhnlich nicht weggeräumt!
Nach Beendigung dieser Vorarbeiten stöpselt man das Minikabel ein und sucht eine Steckdose. Man findet sie meistens neben der Tür. So weit, so gut. Fünf Minuten später hat sich das Wasser erwärmt, so dass aus den Schlitzen am Boden des Geräts Dampf ausströmt. Das Merkwürdige an der ganzen Sache ist lediglich die Tatsache, dass dieser Apparat nicht wie ein normales Bügeleisen benutzt werden kann, sondern nur dann funktioniert, wenn man ihn senkrecht hält. Sonst klappt das mit dem Dampf nämlich nicht. In der Praxis sieht das so aus: Man hat Hose, Jacke, Bluse oder was auch immer eine Auffrischung braucht in der Hand und sucht nun verzweifelt einen Platz, wo man den Bügel nicht nur aufhängen kann, sondern wo auch noch die Zuleitung hinreicht. Der Schrank ist zu weit weg, die Türklinke zu niedrig, der Nagel vom Bild zu kurz, und sonst gibt es nichts mehr, was in Frage käme. Jetzt bleibt nur noch eine Möglichkeit: Mit der linken Hand hält man Bügel samt Kleidungsstück, mit der rechten versucht man den Dampf dorthin zu leiten, wo man ihn gern hätte.
Weitere Kostenlose Bücher