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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Genaugenommen bräuchte man noch eine dritte Hand, mit der man Hose, Jacke oder Bluse festhält, denn ein frei in der Luft hängendes Stück Stoff bietet keinen Widerstand.
    Meine anfängliche Begeisterung für diese scheinbar so praktische Erfindung hat auch nicht lange angehalten. Endgültig vorbei gewesen ist sie, als ich wieder einmal ein Hotel mit den im Kleiderschrank angeketteten Bügeln erwischte. Wenn jemand Handtücher klaut, kann ich das ja noch begreifen, aber wer lässt schon Kleiderbügel mitgehen?
    Auf dieser Reise hatte ich nicht nur eine dritte Hand dabei, sondern sogar noch eine vierte, und deshalb musste ich mich abends auch nicht in Hosen mit dreifacher Bügelfalte präsentieren. Das tolle Gerät habe ich übrigens Stefanie zurückgeschenkt, doch ich kann mich nicht erinnern, es in letzter Zeit bei ihr mal gesehen zu haben.
    Um halb drei holte mich Frau Schmitt ab. Nicki hatte sich schon vorher auf die Veranda verzogen und täuschte Arbeit vor. Als ich mich verabschiedete, saß sie mit angezogenen Beinen in der Hollywoodschaukel, blinzelte in die Sonne und trank Kaffee. »Den hat mir eben Frau Flöß hingestellt«, sagte sie grinsend. »Willst du einen Schluck abhaben?«
    »Nein, danke!!!« Und ob ich gewollt hätte! Am liebsten hätte ich mich dazugesetzt, denn was mich in Kürze erwartete, konnte ich mir ganz genau vorstellen. Wer hat schon Lust und vor allem Zeit, sich nachmittags um drei in einen ungemütlichen, kalten Saal zu setzen und sich etwas vorlesen zu lassen? Sogar Frau Schmitt äußerte Bedenken, als wir fünf Minuten vor drei noch immer alleine herumhockten. »Det kann ja ooch nischt werden!«
    »Dann sagen Sie mir wenigstens, warum ich überhaupt eingeladen worden bin, wenn sich kein Mensch für eine Lesung interessiert?«
    »Es is ja nich so, det keener kommen will, aber wer kann denn jetzt schon? Und denn isses ja auch ’n janz blöder Zeitpunkt. Hier sind in den letzten Wochen viele arbeitslos jeworden, die ham wat anderet im Kopp als Bücher. Kann man ja ooch verstehen, nich wahr?« Wie um Entschuldigung bittend sah sie mich an. »Mir tut’s Ihretwegen leid, Sie hätten wat anderet verdient, aba nu isset nich zu ändern. Woll’n Sie denn trotzdem lesen?«
    Wider Erwarten hatten sich doch noch einige Zuhörer eingefunden: zwei junge Mädchen, die mich neugierig musterten, eine Oma, deren etwa dreijähriger Enkel durch den Saal fegte und mit einem Trommelschlegel die Stuhllehnen bearbeitete, und schließlich noch ein Mann unbestimmbaren Alters, der aussah, als habe er die Straßenbahn verpasst. Sollte ich diesem nicht gerade beeindruckenden Auditorium nun wirklich etwas vorlesen??? Ich tat es, allerdings ziemlich lustlos, und so war wohl auch niemand traurig, als ich schon nach einer guten halben Stunde die Dichterlesung für beendet erklärte. Oma hatte dem munteren Knaben zwar den Stock weggenommen, doch wenn man auf Holzstühlen herumkrabbelt und gelegentlich einen umkippt, macht auch das genügend Krach.
    »Abends wären es bestimmt ’n paar mehr jewesen«, versuchte Edeltraud (»Sie können ruhig Traute zu mir sagen!«) zu trösten, »aber so am hellerlichten Tach kann eben keener, selbst wenn er will.« Die Frage, weshalb man überhaupt diesen ungünstigen Termin gewählt hatte, konnte sie allerdings auch nicht beantworten. »Det hab ick selber erst jestern erfahren, und da stand’s schon inne Zeitung. Sonst hätte ick doch noch meckern können.« Als ich sie vor der Bücherei absetzen wollte, fiel ihr noch etwas ein: »Freuen Sie sich mal auf morjen! Da müssen wir ja nach Joachimsthal. Is zwar ooch nachmittags, aber da jehn wir zu ’nem richtig netten Seniorenverein. Die ham vorhin noch anjerufen, ob Sie denn ooch wirklich kommen. Ick kenne die Leutchen, weil meine Oma dazujehört, und die freuen sich schon mächtig. – Können Sie mich morjen so gegen zwei wieder hier abholen? Oder soll ick lieber raufkommen?«
    Ich versicherte ihr, dass ich den Weg zur Bücherei auch allein finden würde, winkte noch mal und machte, dass ich wegkam. Für heute hatte ich restlos genug! Und als mich Nicole später fragte, wie es denn gewesen sei, schwindelte ich mir ein aufgeschlossenes und begeistertes Publikum zusammen, wie ich es auf dieser Tour bisher nur ein einziges Mal erlebt hatte: bei dem Kaffeekränzchen in Gerswalde!
     
    »Geh’n wir heute mal ein bisschen bummeln?«, wollte Nicki von mir wissen, nachdem sie Frau Flöß zum dritten Mal bestätigt hatte, dass sie nun

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