Schuld war nur die Badewanne
Liegesitze hat.
Die Kellnerin schaukelte erst zwei verführerisch aussehende Eisbecher an unserem Tisch vorbei, dann kam sie zurück. »Ich habe mich mal bei meinen Kollegen umgehört. Einer hat gesagt, dass es zehn Kilometer von hier ein Motel geben soll. Vielleicht versuchen Sie es da mal? Sonst weiß niemand was.«
Aus lauter Dankbarkeit bestellte ich als Dessert noch zwei Eisbecher und hinterließ ein großzügiges Trinkgeld, dann machten wir uns auf die Suche. Außer in amerikanischen Filmen hatte ich noch nie ein Motel gesehen, obwohl es hierzulande inzwischen auch welche gibt, doch als das Nonplusultra des Beherbergungswesens waren sie mir eigentlich nie erschienen. Glaubt man den Drehbuchautoren, dann verstecken sich dort Kriminelle, Ehebrecher und Leute auf der Flucht, die immer falsche Namen benutzen, während die ehrlichen Gäste von schizophrenen Wirten umgebracht werden. Davon mal ganz abgesehen, haben Motels noch einen weiteren Nachteil: Sie liegen verkehrsgünstig, also an belebten Durchgangsstraßen oder gleich hinter der Autobahn-Raststätte. Den Krach hat man gratis und bei geöffnetem Fenster auch noch die Abgase. Aber dafür kann man gleich vom Bett aus ins Auto springen, denn das parkt neben der Tür.
»Hast du schon mal in einem Motel übernachtet?«, wollte Nicki denn auch wissen, als der Kilometerzähler bei 11 , 7 stand und wir noch nichts entdeckt hatten, was eventuell eins sein könnte. »Ich muss dabei immer an
Psycho
denken.«
»Anthony Perkins bringt niemanden mehr um, der ist selber tot! – Guck mal da drüben! Könnte es das nicht sein?«
Auf der linken Seite tauchten einige der uns nun schon hinlänglich bekannten Flachbauten auf, unten Beton, oben Wellblech, davor eine kleine steinerne Terrasse, dahinter festgewalzter Sandboden. Gleich neben der Einfahrt ein ansehnliches Gebäude, renoviert, mit Blumenkästen an der Seite und einem Schild über dem Eingang: MOTEL .
»Na also, sieht doch ganz passabel aus!«, sagte ich erleichtert. »Vielleicht kriegen wir eins der Häuschen, die weiter hinten liegen, da ist es ruhiger.«
»Wir haben bestimmt freie Auswahl«, vermutete Nicki, den Kopf nach allen Seiten drehend, »oder siehst du hier irgendwo ein Auto parken?« Sie stieg aus und schloss die Wagentür ab. »Ich glaube, wir gucken uns die Sache erst mal näher an. Mich erinnern diese Steinkästen ein bisschen an Übergangswohnheime für Asylbewerber.«
»Etwas anderes sind wir ja auch nicht«, erinnerte ich sie, »wir bewerben uns um Asyl für zwei Nächte.«
»Aber nicht für umme!«
»Für was?« Das letzte Wort hatte ich nicht verstanden.
»Dir fehlt der tägliche Umgang mit Jugendlichen«, sagte meine Tochter, »du kennst ja nicht mal mehr die gängigsten Begriffe! Umme heißt umsonst, und da wir für unser Nachtquartier zahlen werden beziehungsweise
du
zahlen wirst, sind wir keine Asylanten, sondern Gäste.«
Die Gäste betraten das renovierte Gebäude und fanden sich in einem hübschen Restaurant wieder. Die Tür gleich links führte zum Büro. Das war leer. Die andere, gleich daneben, führte zu PRIVAT . Da war auch niemand. Blieb nur noch die Tür zur Küche, und die war abgeschlossen. »Am besten setzen wir uns draußen in die Sonne«, schlug Nicki vor, »irgendwann wird schon jemand kommen.«
Ich hatte mir gerade eine Zigarette angezündet (seitdem diese absolute Nikotingegnerin mitfuhr, herrschte im Auto striktes Rauchverbot, genau wie in den Zimmern – ich war schon beinahe abstinent geworden!), als ein Mann in Overall und Gummistiefeln zwischen den Bäumen auftauchte, vermutlich ein Waldarbeiter oder ein Handwerker, denn aus einer dieser Betonbaracken drangen außer Krach und saftigen Flüchen auch noch dicke Staubwolken, – untrügliche Zeichen von Arbeit! »Warten Sie auf mich?« Die Gummistiefel hatten genau vor uns angehalten.
»Wenn Sie uns ein Zimmer vermieten können, ja – falls nicht, dann wissen Sie vielleicht, wer dafür zuständig ist.«
»Ich«, sagte der Mann, »und wenn Sie Glück haben, kriegen Sie sogar noch eins. Ich muss erst mal nachsehen.«
»Aber hier ist doch alles leer«, widersprach Nicki.
»Weil keine Autos dastehen?«, fragte er lachend. »Die sind jetzt unterwegs. Warten Sie mal ab! In drei bis vier Stunden sieht das ganz anders aus. Außer uns gibt es doch zwischen Frankfurt/Oder und Berlin nichts, wo man übernachten kann!«
Das konnte doch nicht wahr sein! »Wollen Sie damit andeuten, dass Sie auf dieser Strecke quasi
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