Schuld war nur die Badewanne
passiert war, hatte ich nicht verstanden. Wieso kam aus dem Schlauch, der sich in abenteuerlichen Windungen bis fast unter die Decke schlängelte, Wasser, sobald man den Hahn vom Waschbecken aufdrehte? Das hatte sicher wieder was mit Physik zu tun! Nicki gab sich ja auch redlich Mühe (bei ihr hatte es wenigstens immer zu einer Drei im Zeugnis gereicht), aber so ganz richtig habe ich das doch nicht begriffen. Mir war lediglich klar, dass zum Duschen zwei gehörten: einer, der den Schlauch hielt, und ein Zweiter, der sich darunter einseifte. Der geniale Konstrukteur dieses Provisoriums hatte nämlich vergessen, irgendwo eine Halterung anzubringen.
Über den restlichen Verlauf dieses Tages ist eigentlich nicht mehr viel zu erzählen. Ich hatte Nicki von ihren Chauffeurspflichten entbunden, denn die paar Kilometer nach Letschin würde ich nun wirklich selber fahren können, ja, auch den Rückweg würde ich wiederfinden, und als ich eine Viertelstunde vor Beginn der Lesung eintraf, war außer den beiden Büchereidamen noch niemand da. Auch gut, dann konnte ich ihnen wenigstens sagen, weshalb wir uns im Hause Schulze nicht mehr haben blicken lassen.
Frau Ichweißnichtmalwiesiehieß bedauerte sofort. Das habe sie nicht gewusst, sei allerdings auch nie dortgewesen, die Unterkunft sei ihr jedoch von dem Freund der Tochter ihrer Nachbarin (oder so ähnlich) empfohlen worden, und es täte ihr sehr leid. Von diesem Motel habe sie noch nie etwas gehört, aber nun wisse sie das ja, und bei künftigen Autorenbesuchen werde man darauf zurückgreifen. Fragt sich nur, ob noch mal welche kommen werden, denn ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass die »sehr interessierten Teilnehmer« aus acht Personen bestanden haben – die beiden Bibliothekarinnen eingeschlossen!
Trotz der etwas ausgeleierten Matratze hatte ich herrlich geschlafen, entgegen meinen Befürchtungen hatte die Dusche nicht nur ausreichend heißes Wasser gespendet, die phantasievolle Konstruktion war nicht mal zusammengebrochen, das Frühstück hatte geschmeckt, und nun war ich sogar bereit, es nochmals mit einer »Kinderstunde« zu versuchen.
»Zehn Uhr zwanzig, neunte Klasse, Veranstaltung findet in der Schulbücherei statt« hatte auf meinem Zettel gestanden. Die genaue Adresse war allerdings vergessen worden. Erst fanden wir die Schule nicht, weil uns jeder, den wir fragten, in eine andere Richtung schickte, dann suchten wir nach der Bücherei, die lag nämlich separat, und als wir die endlich gefunden hatten, war die Stunde fast herum, und die Zeit reichte gerade noch für eine knappe Schilderung unserer Irrfahrt. Die allerdings fanden die Jugendlichen so erheiternd, dass sie mich wenig später mit lebhaftem Applaus verabschiedeten.
Das gab mir wieder mal zu denken. Vielleicht sollte ich die Bücher künftig im Wagen lassen und frei improvisieren? Andererseits war ich zu Lesungen eingeladen worden und nicht zu Plauderstündchen, und überhaupt hatte ich sowieso die Nase voll! Was als Goodwill-Tour gedacht war und nicht nur meine Zeit, sondern letztendlich auch mein Geld kostete, denn außer den Übernachtungen trug ich alle Spesen selber, entpuppte sich mehr und mehr zu einem absoluten Reinfall. Ich musste mich damit abfinden, dass mich hier in Ossiland niemand kannte, dass mich aber auch niemand kennenlernen wollte, und wer es eventuell doch gewollt hätte, erfuhr gar nichts von meiner Existenz. Eine kurze Notiz in der örtlichen Tageszeitung war meist der einzige Hinweis auf die abendliche Veranstaltung, es gab weder Plakate noch Interviews, (wobei ich zugeben muss, dass ich auf
die
überall gern verzichte!), so dass ich mich heute frage, wie denn die zwei bis sechs Zuhörer, die dann doch erschienen waren, von den Lesungen überhaupt erfahren hatten? Eigentlich können es doch nur Verwandte der jeweiligen Bibliothekarinnen gewesen sein, unter Androhung des Ausschlusses vom nächsten Familientreffen herbeizitiert!
»Bist du schon fertig?«, fragte Nicki gähnend, nachdem ich sie gesucht und schließlich auf einer Bank im Grünen aufgestöbert hatte. »Ich war gerade so schön am Einpennen.«
»Und ich hatte gedacht, du wolltest dich noch mal mit Herrn Piaget befassen?«
»Was glaubst du denn, weshalb ich so müde geworden bin?« Sie reckte sich, machte ein paar Kniebeugen, hob das heruntergefallene Buch auf und sah mich unternehmungslustig an. »Bis heute Abend ist es noch eine Weile hin. Was machen wir denn so lange?«
»An die Oder fahren!«,
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