Schuldig wer vergisst
Guinness vor dem prasselnden Feuer hinaus hatte sich Neville noch keine großen Gedanken gemacht, wie genau sie ihre Zeit verbringen würden. Mit ein bisschen Glück würde es ihm gelingen, Triona ins Bett zu kriegen. Zwei Tage und zwei Nächte. Duftende Holzscheite und die gesunde Landluft würden zweifellos Wunder wirken, und er könnte ihren Widerstand brechen. Das war der Teil seines Plans, der ihm am meisten am Herzen lag, das Kernstück sozusagen.
Alles im Eimer. Er hatte sie nicht angerufen und würde es auch nicht tun. Sie war aus seinem Leben gestrichen und er ohne sie besser dran.
Und das Wochenende stand ihm gähnend leer vor Augen.
Trotz seines Vorhabens, mal ordentlich auszuschlafen, wachte Neville früh auf. Im noch dunklen Zimmer wälzte er sich auf die andere Seite und versuchte, wieder einzuschlafen.
Vielleicht würde er später einen Bummel über den Shepherd’s Bush Market machen. Das hatte er samstagsmorgens schon immer genossen: einfach nur die reichhaltigen Auslagen und die noch größere Vielfalt an Menschen bestaunen, die hier kauften und verkauften. Für später blieb immer noch ein Besuch im Pub. Seinem Stammlokal, wo sie sich perfekt auf das Zapfen von Guinness verstanden. Wenn er wollte, konnte er sich volllaufen lassen, bis er nicht mehr stehen konnte – ihm blieb der ganze Sonntag, um seinen Rausch auszuschlafen.
Oder er würde sich ein Mädchen suchen. Eins, dem nichts an einer ernsten Beziehung lag oder daran, sich mit Champagner und Rosen umwerben zu lassen. Er hatte immer noch sein kleines Adressbuch; er kannte immer noch ein paar solcher Mädchen. Er musste das Wochenende nicht allein verbringen, wenn er nicht wollte.
Als kurz vor sieben das Telefon klingelte, zeigte sich, dass dies alles hypothetische Fragen waren.
»Chef?«, sagte die Stimme von Sid Cowley.
»Das ist mein freier Tag«, brummte Neville. »Falls Sie es schon vergessen haben.«
»Das können Sie vergessen, Chef.« Cowley schwieg. »Der Kerl gestern? Der Typ, der morgens vom Joggen nicht nach Hause gekommen ist?«
»Ja, was ist mit dem?«
»Ein Mann, der mit seinem Hund früh Gassi gegangen ist, hat was Seltsames entdeckt und uns von seinem Handy aus angerufen.«
»Und?«
Neville glaubte zu wissen, wohin das führte, und es gefiel ihm nicht sonderlich.
»Wir können noch nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich um den Mann handelt, aber … es sieht ganz danach aus, als hätten unsere Typen Trevor Norton aus dem Kanal gefischt.«
»Verdammte Scheiße«, sagte Neville.
Während Callie freitags keinen Dienst hatte, nahm Pfarrer Brian sich immer den Samstag frei. Folglich musste Callie die Morgenandacht alleine abhalten.
Am Abend zuvor war es ziemlich spät geworden. Sie waren zwar nicht ausgegangen, doch Marco hatte eine DVD von einem ziemlich neuen Film mitgebracht, und nach dem von ihm gekochten Abendessen hatten sie es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und ihn sich zusammen angesehen. Er war erst kurz vor Mitternacht gegangen.
So verbrachten sie inzwischen mehr oder weniger alle Abende gemeinsam, wenn Marco keine Überstunden machte oder Callie irgendeinen Termin oder einen besonderen Gottesdienst hatte. War für beide Feierabend, kam er zu ihr nach Hause – nie umgekehrt, weil er sich seine Wohnung mit jemandem teilte. Manchmal ließen sie sich etwas zu essen bringen; häufiger kochten sie abwechselnd eine Mahlzeit. Marco war der bessere Koch – bei seinem Familienerbe kein Wunder -, und er schien es zu genießen, mit einer prallgefüllten Einkaufstüte bei ihr zu erscheinen und etwas Leckeres aus den mitgebrachten Zutaten zu zaubern. Seine Mahlzeiten konnten sowohl am Herd als auch anschließend bei Tisch zu einer zeitaufwendigen Angelegenheit werden.
Callie hatte ihren Wecker so spät wie irgend möglich gestellt. An diesem Morgen blieb keine Zeit für ein entspanntes Bad. Eine kurze Dusche musste genügen, und als sie anschließend in ihr Priestergewand schlüpfte, sprach sie mit Bella, die dasaß und sie mit feuchten, braunen Augen beobachtete. »Keine Zeit, um noch an die Luft zu gehen, mein Schatz«, sagte sie. »Aber ich verspreche dir, direkt nach der
Morgenandacht zurückzukommen. Dann können wir einen schönen langen Spaziergang machen.« Sie zog die Schlafzimmergardinen auf und warf einen Blick nach draußen. »Es regnet auch nicht mehr wie gestern. Also kein Problem.«
Bella gab keinen Ton von sich, doch Callie legte ihren stummen Blick als Zustimmung aus.
Reverend
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